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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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erfaßt.«
    Ich war immer noch irritiert von seinem
Ton. Der Suitcase Gordon, den ich gekannt hatte, war nicht gerade mit
gewinnenden Umgangsformen gesegnet gewesen und oft unsensibel wie ein Panzer.
Aber nie brutal.
    Als könnte er meine Gedanken lesen,
berührte er mit dem Zeigefinger sanft meine Hand. »Sherry-O, manchmal muß man
hart durchgreifen, um etwas Vernünftiges zustandezubringen. Die Leute, die dem
Blutbad zum Opfer fallen, sind in der Regel tatsächlich die, die an dem ganzen
Desaster schuld sind. Oder es sind Leute, für die es ohnehin besser ist, aus
dem Laden zu verschwinden. Und das Blutbad und die Stabilisierungsphase führen
schließlich zu dem, was ich das Visions-Stadium nenne. Das ist der Punkt, an
dem du wirklich Dinge in Gang bringen kannst.«
    Ich zog meine Hand weg, weil ich mir
mein Urteil selbst bilden wollte und außerdem wünschte, er würde endlich aufhören,
mich Sherry-O zu nennen. »Was für Dinge?«
    In Suits’ graue Augen trat jetzt ein
Glanz; seine blasse Haut bekam plötzlich Farbe. Mein Unbehagen wuchs. Ich
kannte diesen Ausdruck, von Fanatikern — und Verrückten.
    Er sagte: »Revolutionäre Veränderungen.
Tiefgreifende Umwälzungen, die weit über die einzelne Firma hinausgehen. Du
kannst den Lauf all der vielen Menschenleben wenden, die in deiner Hand liegen.
Du kannst das Schicksal einer Nation wenden. Den Gang der Geschichte.«
    Fanatiker, befand ich.
    Suits straffte sich, bohrte seinen
glühenden Blick in meinen. »Was ich dir biete«, verkündete er, »ist die Chance,
mir dabei zu helfen, den Gang der Geschichte San Franciscos zu wenden. Aber
zuerst mußt du den Scheißkerl finden, der es darauf angelegt hat, mich umzubringen.«
    Nein, dachte ich. Verrückt.
     
     
     
     
     

3
    Suits wartete gespannt auf meine
Reaktion. Er schien enttäuscht, als ich fragte: »Wie kommst du darauf, daß dich
jemand umbringen will?«
    »Es gab da gewisse Vorfälle.« Er sah
sich um.
    »Welcher Art?«
    »Geschehnisse«, sagte er kryptisch.
»Moment —vom letzten kann dir Carmen erzählen.«
    »Carmen?« Ich sah mich um, aber da war
niemand, außer dem bulligen Glatzkopf hinter dem Tresen.
    Suits winkte ihn heran. Er kam um den
Tresen herum und zu unserer Sitznische, wischte sich die Hände an der Schürze
ab und grinste über mein verdutztes Gesicht. »So haben sie mich damals getauft,
in den Sechzigern, als ich Bananendampfer aus Costa Rica entladen habe«,
erklärte er. »Carmen Miranda, verstehen Sie? Irgendwer fand das witzig. Es ist an
mir hängengeblieben.« Er zuckte philosophisch die Achseln. »Was kann ich für
Sie tun, T. J.?«
    »Erzähl der Dame, was Donnerstag abend
passiert ist, okay?« Carmen zögerte, runzelte die Stirn.
    »Alles klar. Sie arbeitet für mich.«
    Suits’ Worte schienen seine Bedenken
nicht völlig auszuräumen. Er zögerte noch ein Weilchen, kaute auf seiner
Unterlippe. »Na ja, das war so: Ich will gerade zumachen. So um halb zwölf. Da
höre ich so ein lautes Platschen draußen am Kai. Ich schalte die
Außenbeleuchtung an, gehe raus und gucke nach. Und da liegt T. J. drunten im
Wasser und zappelt wie ein halbtoter Seelöwe. Ich werfe ihm eine Leine zu, aber
er kriegt sie nicht, und ich merke, daß er so gut wie ohnmächtig ist. Ich muß
also reinspringen, und wie ich ihn auf den Kai rauswuchte, sehe ich an seinem
Hinterkopf diese Riesenbeule sprießen.« Carmen patschte sich auf den eigenen
Schädel. »Und bevor ich ihn noch vollends an Land habe, spuckt er schon
literweise Wasser.«
    Ich sah Suits an. »Wie bist du in der
Bay gelandet?«
    »Jemand hat mir eins übergezogen und
mich reingeworfen. Ich war noch auf ein Bier hier bei Carmen, bin so um fünf
vor halb zwölf gegangen und wollte heim. Ich weiß noch, wie ich hinter mir
Schritte hörte, und dann ist da nicht mehr viel, bis mein Freund hier das Wasser
aus mir rausgepumpt hat.«
    Ich sah wieder auf Carmen; sein Gesicht
war verschlossen. Da ist noch mehr, als er sagt, dachte ich.
    »Haben Sie irgend jemanden gesehen?«
fragte ich ihn.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Irgendwas gehört, zwischen dem
Zeitpunkt, als Suits... T. J. gegangen ist, und dem Moment, als er ins Wasser
fiel?«
    »Nichts.«
    »War irgend jemand hier im Lokal, der
ihm nachgegangen sein könnte?«
    »War schon fast eine Stunde kein Gast
mehr da.«
    Ich wandte mich Suits zu. »War
irgendwas verschwunden? Deine Brieftasche vielleicht?«
    »Nein, und ich hatte ein paar hundert
Dollar dabei und meine Rolex.«
    »Du glaubst

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