Feindesland
sie hinzu: »Erst nehmen sie mir meine Tochter. Jetzt nehmen sie mir meinen Mann.«
*
Irgendwie muss das Leben weitergehen ...
Wir backen gemeinsam Pizza, aber sie schmeckt uns nicht mehr.
Wir sehen uns Trashfilme bei Jochen und Mario an, aber ihre Wohnung ist kein Trost mehr für uns, da der Wunsch, wieder ins Jahr 1995 oder früher zurückzukehren, keine spielerische Nostalgie mehr ist, sondern tödlicher Ernst.
Wir drücken uns nachts eng aneinander, wir Männer an unsere Frauen, wir versuchen, die Wirklichkeit wegzulöffeln und länger als nur drei Stunden zu schlafen, aber die schwarzen Löcher in unseren Bäuchen sind so stark, dass nicht mal unsere gemeinsamen Kräfte sie betäuben können.
Wir haben sogar Sex, weil Lisa es auch so gewollt hätte, aber jedes Mal, wenn in ihm aus Sport wirklich Hingabe werden könnte, wenn wir uns daran erinnern, wie sehr wir den anderen immer noch lieben, dann saugt das schwarze Loch an uns mit aller Macht, zieht unser Herz und unsere Kehle nach innen und spricht zu uns: >Wie könnt ihr nur?< Dann erstirbt alles, und wir hören sofort auf, drehen uns wieder zur Seite und halten uns fest in der Hoffnung, dass der Tag nie mehr beginnt.
*
Wir wandeln auf einem schmalen Grat.
Unser Weg führt über brodelnde Lava. Hundert Meter unter uns wirft sie Blasen auf. Die Hitze dieser Blasen spüren wir jetzt stärker als jemals zuvor. Wir wissen, wie es sich anfühlt, wenn sie einen berührt. Ich balanciere das Äffchen Ai Ai über den Steg, Caterina, Susanne und Hartmut sitzen um mich herum und sehen mit leeren Augen zu. Nur Yannick hat Spaß und greift mit den Pfoten nach den Bewegungen auf dem Bildschirm, »pling pling« erklingen seine Krallen auf dem Glas.
»Ich kann das nicht mehr«, sagt Susanne, und ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber ich fühle mich erleichtert. Es liegt seit Wochen in der Luft, ohne dass jemand gewagt hat, es auszusprechen. Hartmut sagt nichts und spielt nur mit den Füßen an einem T-Shirt auf dem Fußboden, so wie damals Agent Schuh die Fasern seines Teppichs mit den Zehen ausrupfte.
»Ich würde gerne zu meinen Eltern gehen«, fügt Caterina hinzu, als habe Susannes Aussage ihr endlich die Erlaubnis gegeben. »Nur für ein paar Wochen. Ich muss hier raus.«
Hartmut und ich haben gespürt, dass das kommen würde. Weil es uns nicht anders geht. Weil auch wir wegwollen und es nur nicht ausgesprochen haben, da wir wussten, wenn wir das hier auch wieder auflösen, dann ist es erst mal vorbei, dann suchen wir uns nicht noch ein gemeinsames Haus, das ohnehin nur bedroht wird oder zusammenbricht, wie es in unserem Leben immer war, seit wir versucht haben, selbständig zu sein. In Berlin sah es aus, als hätten wir es gegen alle Widrigkeiten geschafft. Dann hat Gott oder wer auch immer uns zurechtgestutzt. Die Message war eindeutig. Daraus folgt: Wenn wir diesen Ort verlassen, gehen wir auseinander. Vorerst. Deshalb haben wir Männer nichts gesagt.
Ich lege das Joypad ab und stelle auf Pause. Ich drehe mich zu Caterina im Sessel, ihr zu Füßen auf dem Boden vor der Konsole, Tränen in den Augen: »Schatz«, sage ich, »Miu miu?«
Sie legt ihre Hand auf meine Wange. »Nur für ein paar Wochen«, sagt sie.
Hartmut nimmt die Hand seiner Susanne. Sie sehen sich an, das erste Mal seit Wochen wieder mit einer Art Verbindung. Sie wissen, eine wirkliche Verbindung wird erst wieder möglich sein, wenn zwischendurch Trennung war. Hartmut schluchzt, Susanne streicht ihm durch die Koteletten und greift leicht daneben, da sie ihn nur noch verschwommen sieht.
Yannick drückt den Pausenknopf auf dem Joypad los, und das Äffchen Ai Ai stürzt mit einem Schrei in die Tiefe.
Vier Autos
»Du musst jetzt kommen, wir brauchen dich«, sagt Caterinas Vater, der alles geregelt hat, weil er als Mensch mit Geld und Erfahrung alles regeln kann. Hartmuts Eltern warten auf ihn in Wesel, falls er dort hingehen will. Susannes Mutter hat bei sich in Köln schon ein Lager für ihre Tochter aufgeschlagen. Das alte Esszimmer ist nun wieder ein Gästeraum. Hat der Pana gemacht. Susanne hat nicht darum gebeten, aber die Option steht. Meine Mutter stellt sich im Hochhaus sicher auch vor, dass ich wiederkomme, mich in die Wanne lege und warte, bis in der Küche die Hähnchen fertig sind. So wie es heute mein Cousin Dennis zwei Stockwerke über ihr macht. Ich weiß nicht, ob ich das noch kann.
Im Wohnraum neben der Wand, die erst vor wenigen Wochen
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