Feindgebiet
bereitgestellten Kisten.
»Nicht schlecht, Sir«, pflichtete Sten ihm widerwillig bei. »Trotzdem stand ich doch mit dem Rücken zu Ihnen, Sir.«
Chetwynd brachte beide mit einem kurzen Wink zum Schweigen. Diese Diskussion war uferlos. Außerdem ging ihm noch etwas anderes im Kopf herum. Der Gefangene kam ihm bekannt vor. Auch wenn er momentan nicht genau wusste wo, aber er war sicher, dass er ihn schon irgendwo gesehen hatte. Eigenartig, dass ihm dabei immer wieder das Bild eines Polizisten in den Sinn kam!
»Kennen wir uns nicht?« fragte er.
Sten warf ihm einen erstaunten Blick zu. Auch ihm kam sein Gegenüber irgendwie bekannt vor, doch er ließ sich nichts anmerken. »Nein, Sir. Der Gefangene wüsste nicht, woher, Sir.«
Chetwynd betrachtete ihn genauer. Er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass er diesen Mann irgendwo und irgendwann einmal in der Uniform eines Tahn-Polizisten gesehen hatte. Was trieb er dann aber hier in der Rolle eines Imperialen Gefangenen? Wenn Chetwynd sich nicht täuschte, dann handelte es sich bei diesem Mann um einen Spitzel, und dann konnten er und Glorie schon bald tief im Dreck stecken.
»Wie heißt du?«
»Der Name des Gefangenen ist Horatio, Sir«, antwortete Sten.
Er war alarmiert. Er hatte inzwischen Chetwynds Gesicht in seinem Gedächtnis gefunden. Damals, als er und Alex diesem schmierigen Bombenleger auf der Spur waren … Dynsman. Sten erinnerte sich noch deutlich an den Angriff des Gurion. Das Ding war urplötzlich auf seinen sechs Beinen und mit drohend ausgefahrenem, zahnbewehrtem Magenmaul durch die Brandung auf sie zugeprescht. Und die ganze Zeit über hatte sich der Mann, der jetzt vor ihm stand, umringt von einer Meute üppiger weiblicher Gefangener, am Strand vor Lachen ausgeschüttet. Sten und Alex waren als Tahn-Gefängniswärter aufgetreten und konnten Chetwynd deshalb nicht für seine unterlassene Hilfeleistung zur Rechenschaft ziehen. Er fragte sich, wie es Chetwynd geschafft hatte, dem Gefängnisplaneten zu entkommen. Wichtiger noch: wie zum Teufel war es ihm gelungen, vom Gefangenen zum Oberaufseher aufzusteigen?
Im Krieg geschehen die seltsamsten Dinge, das wusste Sten seit langer Zeit. Ihm war auch nicht entgangen, dass es sich dabei im seltensten Fall um spaßige Dinge handelte.
»Na schön, Horatio. Lassen wir’s damit bewenden. Beim nächsten Mal schnappe ich mir deinen Arsch und drehe ihn durch die Mangel!«
»Vielen Dank, Sir«, sagte Sten mit unverhohlenem Erstaunen.
Bevor Glorie protestieren konnte, brachte ihn Chetwynd mit der erhobenen Hand zum Schweigen.
»Pack diese Teile wieder ein«, befahl er Sten. »Wir lassen sie noch mal durchlaufen.«
»Jawohl, Sir. Sofort, Sir.«
Sten sauste wie ein geölter Blitz umher und sammelte die verstreuten Röhren ein; Chetwynd und Glorie entfernten sich.
»Warum hast du mir nicht erlaubt, ihn fertigzumachen«, beschwerte sich Glorie. »Der Kerl hat es wirklich verdient.«
»Kann schon sein«, meinte Chetwynd. »Aber tu uns beiden einen Gefallen. Behalte ihn im Auge. Aber lass die Finger von ihm, klar?«
Glorie nickte. Er hatte keinen Schimmer, was da vor sich ging, doch er war sich ziemlich sicher, dass er es auch nicht herausfinden wollte. Chetwynd hingegen glaubte noch immer, dass er Sten kannte, auch wenn die Geschichte mit dem Polizisten wahrscheinlich Unsinn war. Wahrscheinlich. Trotzdem wollte er kein Risiko eingehen.
L’n widmete sich ihrer Fließbandarbeit mit neuem Interesse. Sie summte bei der Arbeit sogar ein Wiegenlied der Kerr vor sich hin. Sie hatte einen gehörigen Schrecken bekommen, als der Mensch namens Horatio sich in ihr Labor geschlichen hatte. Beinahe hätte sie das kleine blaue Licht, das ihren Augen einigermaßen genehm war und bei dem Horatio ebenfalls noch etwas sehen konnte, nicht eingeschaltet. Im ersten Moment hätte sie ihn fast im Dunkeln herumstolpern lassen und sich selbst irgendwo versteckt.
Doch der Mann war einfach stehen geblieben und hatte ihren Namen geflüstert. Schließlich hatte sie ihm geantwortet. Ohne zu zögern war der Mann direkt auf sie zu gegangen, als könnte er im Dunkeln so gut sehen wie sie.
Horatio schien sie sofort zu verstehen. Er gab beruhigende Töne von sich und sprach von Dingen, die sie interessierten, etwa von geometrischen Mustern und Farben, die das Licht zeichnete, wenn es sich auf eine bestimmte Art und Weise brach. Er sagte, er hätte von ihrer Kunst gehört, aber leider noch kein einziges ihrer Lichtgemälde selbst
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