Feindgebiet
wollt ihr zwei euch ein bisschen verziehen und …« Er kicherte in sich hinein. »Ich könnte die Pause etwas verlängern.«
St. Clair dachte liebevoll, wie sie Chetwynd dafür danken konnte, und lief im Laufschritt zum angetretenen Trupp. Rädern und vierteilen war noch viel zu milde, fand sie. Sten flachlegen? Da würde sie es lieber mit einer Zielscheibe treiben.
Kapitel 23
Das Supergeheimnis der Päckchen von der Gefangenenhilfe bestand darin, dass sie weder völlig altruistisch noch ganz neutral waren.
Angehörigen des Mercury-Corps’, operativen Einheiten des Geheimdienstes, zu denen auch Sektion Mantis gehörte, sowie Stabsoffizieren und Skippern von Einheiten oder Schiffen, die tief in feindliches Gebiet vorstießen, wurde das Geheimnis nur mündlich mitgeteilt, wenn bei einer Mission nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sie in Gefangenschaft gerieten.
In jeder Kiste befanden sich einige gezinkte Artikel. Zum Beispiel:
Ein Schlüsselartikel, nach dem man Ausschau halten sollte, waren Lebensmittel, deren Firmennamen paternalistisch klangen, wie etwa Großvaters Caff, Dronemaster’s R’lrx, Alm-Öhis Duftender Tofu und dergleichen mehr. All diese Firmen gab es tatsächlich, doch die hier enthaltenen Nahrungsmittel waren von den findigsten Chemikern des Imperators nahezu ungenießbar gemacht worden. Sogar ein gieriger Gefängnisaufseher würde nur wenig Geschmack daran finden.
In ihren Zutaten befand sich nichts Außergewöhnliches, aber jeder dieser Behälter enthielt etwas, das ein Ausbrecher möglicherweise gut gebrauchen konnte. Microdrahtsägen waren in den Rändern der Päckchen versteckt, nadelgroße Gravurwerkzeuge in anderen. Im doppelten Boden anderer Päckchen versiegelt steckten Miniaturschaltkreise. Ein fluchender Gefangener brauchte zwei Tage, um diese Verpackung auseinander zunehmen – andererseits bewahrte ihn diese Verpackung selbst bei einer sorgfältigen Durchsuchung vor unliebsamen Entdeckungen. Andere Büchsen und Packungen enthielten wieder andere interessante Gegenstände. Dabei wurde ausschließlich Material verwendet, das von Sensoren nicht entdeckt werden konnte.
Sämtliche Metalle – wie etwa die Steck- und Nähnadeln in den altertümlichen Nähsets – waren magnetisiert und konnten als Kompass benutzt werden.
Die Kleider selbst waren mit einem schwarzweißen X auf der Vorder- und Rückseite markiert. Für einen Gefängnisaufseher gab es keinen Grund, ihre Verteilung zu verweigern – bei einer Flucht konnten sie mit Sicherheit nicht verwendet werden. Die X waren aber nur beinahe unverwüstlich. Jedes Päckchen enthielt kleine Tütchen mit künstlichem Süßstoff, der tatsächlich geschmacklos war. Man konnte ihn jedoch in Wasser auflösen und dann die Kleidung darin einweichen. Nach vier Stunden lösten sich die X auf, und der Kriegsgefangene hatte ein neutrales Kleidungsstück zur Verfügung, das mit etwas Schneidertalent zu akzeptabler Zivilkleidung für die Flucht umgearbeitet werden konnte.
Niemand außerhalb des Imperialen Geheimdienstes wusste das und ganz bestimmt nicht die sanftmütigen Manabi. Diese Tricks stellten Verletzungen sämtlicher Kriegsgefangenen-Konventionen und jedes zivilisierten Ethos dar. Und selbstverständlich handelte es sich dabei um eine ganz persönliche Idee des Flottenmarschalls Ian Mahoney, damals noch Chef des Imperialen Geheimdienstes.
Sogar die erlaubten Artikel in den Hilfspäckchen dienten speziellen, regelwidrigen Zwecken.
Außerdem waren die Nahrungsmittelpackungen Kilgours Plänen überaus nützlich.
Seinen neuesten Plan nannte er insgeheim »Verführung der Unschuldigen / Belohnung der Bösen (Kleine Befreiungsdivision)«.
Schon bald hatte er sich seine Agenten für diese Operation ausgesucht, wobei er die freundlichsten und offensten Gefangenen auswählte. Jeder von ihnen erhielt den Auftrag, sich einen oder zwei Aufseher auszusuchen und zu versuchen, sich mit ihnen anzufreunden.
Um das zu erreichen, erhielten die »Verführer« Zugang zu allem, was den Gefangenen zur Verfügung stand. Wenn ein Aufseher auf einen Ring scharf war, dann würde er ihn auch bekommen. Wenn ein Aufseher sich mit jemandem unterhalten wollte, so gab es für ihn immer ein offenes Ohr oder einen Hörerkreis, den der Verführer für ihn organisierte. Die einzige Grenze stellten sexuelle Dienstleistungen dar – nicht, weil Kilgour besondere moralische Bedenken gehabt hätte, sondern weil er als Meisterspion genau wusste, dass
Weitere Kostenlose Bücher