Feindgebiet
hinausposaunen.
Trotzdem weiß ich nicht, wieso diese Blödmänner so lange brauchen. Ich habe hier ein gutes Ding laufen, und ich kann euch ein höllisch gutes Angebot machen. Wir haben hier Kunden, Generäle und Admiräle, und –«
»Weiß ich«, konterte Sten. »Wir haben deine Nachricht erhalten.«
»Was? Was blubberst du da vor dich hin? Wer hat welche Nachricht erhalten? Wann denn?«
Dann kapierte St. Clair. Sten lächelte und bewunderte sie dafür, dass sie auch dann überaus reizend aussah, wenn ihr Unterkiefer vor Staunen fast den Fußboden berührte.
»Fangen wir noch mal ganz von vorne an«, sagte er. »Zunächst einmal mit der Vorstellung. Wenn mich noch mal jemand Horatio oder Horrie oder sonst was nennt, das mit einem H beginnt, bringe ich ihn um. Mein Name ist Sten. Soviel hinsichtlich Boy meets Girl. Und jetzt: wo willst du von hier aus eigentlich hin?«
St. Clair wollte etwas besonders Bissiges und besonders Kluges sagen. Sie kannte etwa sechs wohlerprobte Arten der Entmannung, die sie diesem unerträglichen kleinen … Aber das war ein völlig anderer gewesen, oder? Es war …
Sie verkniff sich die Bemerkung und sah Sten einfach nur erwartungsvoll an.
Es traf sich gut, dass der Büroschreibtisch ein Museumsstück war, denn das, was als nächstes geschah, hatte er in früheren Zeiten höchstwahrscheinlich schon öfter als einmal erlebt.
Kapitel 37
Er hieß Chapelle.
Bis vor kurzem war er Fluglotse auf einem der betriebsamsten Raumhäfen des Imperiums gewesen. Wie die meisten Controller war er sehr jung und stand sehr unter Stress. Der Druck, der auf ihm lastete, garantierte einen Burnout mit vierzig. Im Gegensatz zu den meisten Fluglotsen drehte sich sein Leben ausschließlich um Raumhäfen. Er trieb sich auch den Großteil seiner Freizeit auf dem Hafengelände herum. Immer wieder war er durch die Hügel gewandert, die den Raumhafen umgaben. Er hatte sich sämtliche Gebäude, die rings um den Hafen lagen, angesehen. Er rühmte sich damit – wenn auch nur vor sich selbst, denn Chapelle war ein geradezu neurotisch scheuer Mensch –, dass er ein Schiff allein durch Intuition und mündliche Anweisungen sogar dann landen könnte, wenn sämtliche Radars, Lasereinweisungen und anderen automatischen Anflugkontroll-Systeme des Raumhafens ausfielen. Er konnte sich »seinen« Raumhafen aus jedem erdenklichen Winkel vorstellen, egal bei welchen Wetterverhältnissen.
Chapelles stolzester Besitz waren zwei Hologramme. Eines zeigte die Imperiale Yacht Normandie , wie sie auf »seinem« Landefeld aufsetzte, und das andere war ein signiertes Porträt des Ewigen Imperators. Sein Staatsoberhaupt, das er sicher zur Landung gebracht hatte. Natürlich war das Autogramm ein Faksimile, und das Porträt wurde von der PR-Abteilung des Imperators bei jeder x-beliebigen Publicity-Tour hundertfach verteilt.
Doch als er unerwarteterweise befördert und zum Zentralraumhafen auf der Erstwelt versetzt wurde, wusste Chapelle, dass man auf seine Fähigkeiten aufmerksam geworden war.
Sofort fing er mit dem gleichen Selbsterziehungsprogramm an, das er schon zuvor so erfolgreich durchgeführt hatte. Möglicherweise verstand sein Vorgesetzter nicht so recht, was er da tat, oder aber Chapelles Obsession wurde schlimmer. Es spielte keine Rolle. Der Inspektor hatte ihm mit aller Nachsicht vorgeschlagen, dass Chapelle einen kleinen Urlaub in Erwägung ziehen sollte, ohne Statusverlust oder dergleichen. Vielleicht könnte er auch einmal darüber nachdenken, einen Spezialisten aufzusuchen.
Chapelle konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, den Mann nicht zu schlagen. Vielleicht hatte sein Inspektor ja recht – was die übertriebene Hingabe an den Beruf betraf. Was Chapelles Bedürfnis nach psychologischer Hilfe anging, täuschte er sich jedoch gewaltig. Und ja, er würde ein wenig Urlaub nehmen.
Zu diesem Zeitpunkt wurden Tanz Sullamoras Agenten auf Chapelles interessantes Datenprofil aufmerksam.
Chapelle fühlte sich erholt und war bereit, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, als in seinem Hochhausapartment eine Nachricht aus dem Fax herausfiel, wonach Chapelle auf unbestimmte Zeit zu unbezahltem Urlaub verdonnert wurde. Chapelle nahm allen Mut zusammen, rief seine Abteilung per Vid an und erkundigte sich nach dem Grund.
»Den Grund dafür darf ich Ihnen nicht bekannt geben.« ›Nicht bekannt geben, wunderte sich Chapelle. ›Warum denn nicht? Wer würde denn so etwas tun? Wer hatte das Recht dazu?‹ Niemand
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