Feindgebiet
Colonel?«
»Warum konzentriert sich der Imperator so auf die Randwelten? In meinen Augen ist das inzwischen kein strategisch wichtiges Ziel mehr. Können wir wirklich sicher sein, dass es keine Falle ist?«
»Natürlich ist es eine Falle«, antwortete Lady Atago. »Sie blasen die Sache nur auf, damit jeder kleine Sieg, den sie dort erringen, viel wichtiger erscheint, als er eigentlich ist.«
»Wenn wir aber darauf reagieren«, sagte Pastour, »laufen wir dann nicht Gefahr, den Plan Wirklichkeit werden zu lassen?«
»Nur dann, wenn sie uns besiegen«, erwiderte Lady Atago. »Ich verspreche Ihnen, dass es nicht soweit kommen wird. Ich habe es schon einmal bewiesen, und ich werde es erneut beweisen. Wir werden das Schwert des Imperators gegen ihn selbst richten.«
Mit diesem Versprechen gelang es Lady Atago, sich selbst wider besseres Wissen dazu zu überreden, nach dem Köder des Imperators zu schnappen. Erst jetzt durchschaute Pastour die Strategie des Imperators in ihrem vollen Ausmaß. Das einzige, was ihn jetzt noch beunruhigte, war Stens eigenartiger Kommentar hinsichtlich seiner Gesundheit.
»Gehen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt über«, fuhr Lady Atago fort. »Ich habe hier eine Liste vorliegen. Eine sehr wichtige Liste. Sie wurde von unseren Agenten aus den Dateien der Imperialen gestohlen.«
Die Ratsmitglieder blickten auf die Ausdrucke, die sie in der Hand hielt und wie eine Anklageschrift vor ihren Nasen herumwedelte.
»Auf dieser Liste stehen 72 Namen. Tahn-Namen. Verräter. Und ich verlange kraft meiner vollen Autorität, dass sie aus unserer Mitte getilgt werden. Und das ist nur der Anfang. Ich möchte, dass ihre Spur zurückverfolgt wird, wohin sie auch führen mag. Egal, wie weit oben der Verräter sitzt, egal, wie …«
Pastour probierte es schon mal mit einem heiseren Hüsteln.
Kapitel 48
Die Cafeteria hatte mehrere Vorteile, die jedoch dem Normalbürger nicht ersichtlich waren. Für sie stank das große, umgewandelte Lagerhaus am Ende einer Seitenstraße in einer sehr üblen Gegend der Hafenstadt Soward nach Fett und Ungewaschenem. Es sah aus wie der richtige Ort, an dem man sich entweder eine Klinge zwischen die Rippen oder die Krätze holte.
Eine nicht ganz unzutreffende Einschätzung.
Trotzdem hatte die Cafeteria eindeutige Vorteile. Sie war keine dieser vollautomatisierten Einrichtungen, sondern wurde von lebenden Wesen geführt, die sich nicht groß darum kümmerten, was sich dort abspielte, solange das Blut hinterher wieder aufgewischt wurde. Kaff kostete einen zehntel Credit und Alk einen halben. Der Alk hatte selbstverständlich niemals eine Imperiale Steuermarke gesehen.
Jeder, der dort herumhängen wollte, durfte das so lange tun, wie er, sie oder es das wollte. Eine Tasse Kaff konnte man den halben Tag vor sich stehen haben, ohne dass jemand deswegen gemeckert hätte. Der Ort war wie geschaffen für illegale Drogendeals, um einen Coup zu planen oder einfach nur herumzulungern, kurzum, eine hervorragende Alternative zur eigenen Wohnung, wo einem ohnehin nur die Decke auf den Kopf fiel.
Für Chapelle hatte die Cafeteria sogar noch mehr Vorteile.
Er konnte stundenlang auf das schmucklose Betongebäude auf der anderen Straßenseite starren und den Stimmen lauschen. Jeden Tag erfuhr er von einem neuen Frevel und einer neuen Ungerechtigkeit, die auf das Konto des Imperators ging.
Sullamoras Einsatzteam hatte die Sender mit den kaum hörbaren Botschaften schon vor Wochen entfernt. Chapelle lauschte jetzt Stimmen, die er selbst erzeugte, und die Geschichten, die sie erzählten, waren überaus faszinierend.
Vor einigen Tagen war ihm klar geworden, dass er etwas unternehmen musste. Er wusste nur noch nicht genau, was. Die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel, war der andere Vorteil der Cafeteria – ihre Nähe zum Demokratischen Bildungszentrum.
Jeder Krieg, wie »gerecht« er auch sein mochte, hatte seine Gegner. Die Opposition reichte von echten Pazifisten über Leute mit einer sehr gut nachvollziehbaren Abneigung dagegen, sich den eigenen Arsch aus irgendwelchen Gründen abschießen zu lassen, bis hin zu weniger appetitlichen Zeitgenossen.
Der Imperator musste unablässig darum kämpfen, dass seine eigenen Geheimdienstorganisationen einigermaßen unter Kontrolle blieben. Jemand, der lediglich der Meinung war – und diese auch offen aussprach –, der Ewige Imperator sei ein Drecksack, stellte noch lange keine Bedrohung für die Gesellschaft dar. Daran musste
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