Feindgebiet
eingestellt hatten. Und auf der Bühne regte sich noch immer nichts.
Dann hörte er aus der Ferne ein heulendes Geräusch, das sofort seine alten Infanteristeninstinkte aktivierte; er zog den Hals ein und den Kopf zwischen die Schultern, kurz bevor ein Geschwader schwarzer Einsatzschiffe über den Horizont hinter dem zerstörten Palast gerast kam und so dicht über die Menge donnerte, dass die Behauptung, Knochenmark enthalte keine Nerven, eindeutig Lügen gestraft wurde.
Als dem ersten ein zweites Geschwader folgte, musste Sten an sich halten, dass er sich nicht zu Boden warf; dann folgte ein drittes Geschwader, und dann wurde der ganze Himmel schwarz vor Raumschiffen. Eine ganze Armada verdunkelte die Sonne und vollführte in gefährlich geringer Höhe eine furchterregende Demonstration der militärischen Macht der Tahn.
Sogar Sten war anfangs beeindruckt, doch dann fiel ihm das eine oder andere auf. Etwas war eindeutig sichtbar und offensichtlich nicht in Ordnung, wenn man sich aus dieser Masse irgendein beliebiges Schiff heraussuchte und näher betrachtete. Sie waren heruntergekommen, eins wie das andere, zerbeult und alt, sie trugen die Spuren hastiger Reparaturen. Leckende Treibstoffleitungen waren notdürftig abgedichtet, dicke Stahlplatten hielten klaffende Schlachtwunden zusammen. Anscheinend fiel das nur Sten auf, denn der Ton der Menge kippte von befohlenem Jubel in schrille Begeisterung um.
Einen Augenblick später klarte der Himmel wieder auf, und Stens professioneller Zynismus wurde beiseite gelegt. An seine Stelle trat kalte Angst, als er sah, wie sich drei der größten und ehrfurchtgebietendsten Schlachtschiffe, die je gebaut worden waren, in das Blickfeld der Menge schoben. Ihre Außenhüllen waren glatt und so schwarz wie Null-Sterne. Die vielen künstlerisch gestalteten Luken ließen eine Feuerkraft erahnen, die die Herausgeber des Jane’s zum Weinen gebracht hätte, weil sie davon weder Bild noch Abriss in ihrem neuen Fiche bieten konnten. Sten fing gerade an, sich auszumalen, was wohl hinter diesen Luken verborgen lag, als die Schiffe über ihre Köpfe hinwegdröhnten und dann aus dem Blickfeld verschwanden.
Die Stimmen in der Menge verstummten vor Stolz und Ehrfurcht. Sogar die Polizisten waren still. Ihre Augen schimmerten vor patriotischem Eifer. Es war wie eine religiöse Erfahrung, dachte Sten. Der Große Geist der Tahn liebte offensichtlich Dinge, die viel Getöse verursachten. Sten fragte sich gequält, was wohl der Laienprediger Cristata davon halten würde.
Ein tiefes Brummen riss ihn aus seinen Gedanken, und Sten reckte wie alle anderen den Hals, um seine Ursache zu erfahren. Es kam aus der Asche des Palastes. Ein strahlendweißes Ding, das wie ein riesiges Speichenrad geformt war, und es schwebte einige Minuten über den Ruinen, als warte es darauf, dass die letzte Ascheflocke von der Reinheit des Weiß zurückwich und auf den Boden rieselte. Schließlich stieg es bis auf eine Höhe von etwa fünfhundert Meter über die Ruinen auf und bewegte sich dann langsam in Richtung Bühne.
Stens Kopf zuckte nach hinten, so wie es auch den mehr als eine Million anderen Zuschauern erging, als sich eine gewaltigen Luke öffnete und eine große schwarze Kapsel sichtbar wurde. Die Kapsel löste sich und senkte sich langsam nach unten, bis sie fast den Bühnenboden berührte. Es knackte mehrere Male peitschend, rote Landebeinchen schossen heraus, und die Kapsel landete, indem sie ihr Gewicht diesen Beinchen anvertraute.
Stille. In der Menge regte sich kein Flüstern und kein Murmeln. Dann trompetete kriegerische Musik aus den gigantischen Vidscreen-Lautsprechern. Ein Teil der glatten Außenhülle der Kapsel schob sich zur Seite und enthüllte einen gähnenden, halbrunden Eingang. Daraus kamen sehr schnell uniformierte Tahn-Gardisten marschiert, die ihre kniehohen Stiefel unisono aneinanderknallen ließen.
Sie bezogen rings um die Bühne Stellung. Sten fiel sogleich auf, dass sie keinesfalls zeremonielle Waffen trugen, die entsicherten Gewehre wurden stets so gehalten, dass sie jederzeit einsatzbereit waren. Hier und da sah er einige Offiziere wahrscheinlich Geheimdienst –, die mit ihren Blicken die Menge durchforsteten und nach dem kleinsten Anzeichen von Ärger Ausschau hielten. Es war nichts zu entdecken. Die Menge war fest in den Händen ihrer Anführer. Die Musik schwoll an, und dann erschien zuerst eins, kurz darauf noch ein und noch ein Mitglied des Hohen Rates der Tahn.
Als sie
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