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Feindgebiet

Titel: Feindgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Cole & Chris Bunch
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sich auf der Bühne verteilten, verglich Sten ihre Gesichter automatisch mit seiner kleinen mentalen Bildergalerie des Rats und versuchte aufgrund ihrer Aufstellung zu erraten, wer gerade hoch im Kurs stand und wer nicht.
    Abgesehen von Wichmans und Pastours Abwesenheit, die durch eine leere Stelle gleich rechts vom leeren Ehrenplatz in der Mitte markiert war, konnte er keine Veränderung feststellen.
    Er stellte seine Spekulationen ein, sobald er den ersten Tahn-Soldaten im Kampfanzug aus der Luke herausspringen sah. Der Mann überragte alle anderen Gestalten auf der Bühne. Zu ihm gesellte sich ein weiterer, dann noch einer, alle genauso groß wie er. Die Gruppe formierte sich, und gerade als Sten einfiel, wo er diese Soldaten schon einmal gesehen hatte, trat Lady Atago hinter ihnen aus der Kapsel. Ihre persönliche Leibwache bestand wahrscheinlich aus den wenigen Tahn des gesamten Imperiums, die größer als Atago selbst waren.
    Die Menge brach in ohrenbetäubendes Begrüßungsgeheul aus. Die Leibwache führte Lady Atago zum Ehrenplatz und zog sich daraufhin wieder zurück. Aber nicht sehr weit, wie Sten sofort registrierte. Sie hielten sich direkt hinter ihr und zu beiden Seiten bereit, um sich notfalls als lebendigen Schild vor sie zu werfen.
    Lady Atago streckte beide Arme nach oben, und die Jubelrufe der Menge wurden sogar noch lauter – so laut, dass sie sich an den Wänden brachen und Rückkopplungen aus den Vidscreen-Lautsprechern jaulten. Einen Augenblick lang fühlte sich Sten völlig allein – obwohl er von weit mehr als einer Million Wesen umgeben war.
    Er erinnerte sich an den Augenblick, als er Lady Atago zum letzten Mal gesehen hatte. Das war auf Cavite gewesen, noch in den ersten Tagen des Krieges. Sie hatte einen roten Umhang und eine grüne Uniformjacke getragen, genau wie jetzt. Und sie hatte kaum 150 Meter entfernt gestanden. Er erinnerte sich an diesen Sekundenbruchteil, in dem er die Willygun so ausgerichtet hatte, dass sich die grüne Uniformjacke direkt in seinem Fadenkreuz befand. Er hatte eingeatmet, den Atem wieder halb herausgelassen und dann den Druckpunkt des Abzugs gesucht. Im nächsten Moment hätte ein Treffer AM 2 ein faustgroßes Loch in diese Jacke gerissen. Und dann waren Atagos Leibwächter auch schon dicht um sie gewesen, wie eine tänzelnde Balletttruppe; Sten hatte statt dem Rot und Grün nur noch das Weiß der Uniformen der Leibwächter gesehen.
    Bis zum heutigen Tag wusste Sten nicht genau, ob er den Schuss aus Feigheit nicht abgegeben oder nur zu lange gezögert hatte. Während er Lady Atago jetzt beobachtete, verfluchte er sich für beides. Es spielte keine Rolle, welche Seite der Münze nach oben zeigte. Beide Seiten waren Verlierer. Und er musste sich unweigerlich fragen, was geschehen wäre, wenn er Erfolg gehabt hätte. Wer würde wohl jetzt an ihrer Stelle auf der Bühne stehen? Wichman? Pastour? Überhaupt jemand?
    Auf der Bühne hatte Lady Atago jetzt die Arme gesenkt und ließ den Jubel über sich hinwegbranden. Dann hob sie erneut die Arme und bat sich Ruhe aus. Es wurde sofort still.
    »Ich danke euch, meine Tahn-Genossen«, fing sie an. »Ich danke euch, dass ihr euch zu dieser Feier mit uns zusammengefunden habt.«
    Sten sah nicht einmal ein Zucken in den verzückten Gesichtern um ihn herum. Für die Menge bestand in ihren Worten kein Widerspruch zu der Tatsache, dass sie sich keinesfalls freiwillig hierher begeben hatten. Abgesehen davon was gab es eigentlich zu feiern?
    »Diese Zeiten verlangen große Opfer von uns allen, mein Volk«, fuhr Atago fort. »Unsere Entschlossenheit wird auf eine harte Probe gestellt; die härteste seit den Tagen der Großen Schmach. Und es ist diese unsere Entschlossenheit, gepaart mit unserem festen Willen zum Sieg, der tief in uns Tahn verwurzelt ist, die wir heute feiern möchten.
    Doch es ist mehr als nur Entschlossenheit, die den genetischen Code der Tahn ausmacht. Da ist auch diese absolute Bereitschaft, alles zu opfern, alles hinzugeben für die –«
    Sie machte eine Pause, und dann knallte das letzte Wort wie eine Peitsche mit einer Metallspitze aus den Lautsprechern über die Köpfe der Menge.
    »Ehre!«
    » Ehre! « schrie die Meute zurück. » Ehre! «
    »Jawohl, Ehre«, sagte Lady Atago. »Möge kein Fremder die Bedeutung dieses Wortes für die Tahn unterschätzen. Für uns ist es nicht nur eine hohle Phrase, ein Opfer für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder. Denn wir würden alles für unsere Ehre

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