Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
zu beiden Seiten schlaff auf dem Teppich liegen ließ, erwies sich die grüne Boitür nur noch als geringfügiges Hindernis, das jedoch ausreichte, um Lord Petrefact auf die Rückseite des Rollstuhl prallen zu lassen. Dann nahm das Ding wieder volle Fahrt auf und geriet dabei so ins Schlingern, daß es abwechselnd rechts und links gegen die Gangwände knallte.
    Im Schlepptau hatte es noch immer Lord Petrefact, der inzwischen davon überzeugt war, das Endstadium des eingeklemmten Bruchs bereits überstanden zu haben und an dessen Nachwirkungen zu leiden, und nur noch einen Gedanken fassen konnte. Falls und dieser Konditional schien hoffnungslos optimistisch –, falls er diese abscheuliche Zerreißprobe überleben sollte, dann würden einige Leute mit ihren Jobs, ihrer Zukunft und, wenn sich dies bewerkstelligen ließ, mit dem Leben dafür bezahlen. Nicht, daß ihm sein Zustand erlaubt hätte, die Schuldigen aufzuzählen, wenngleich der Erfinder des Rollstuhls ziemlich weit oben auf der Liste rangierte, unmittelbar gefolgt von den Vertreibern des tragbaren und angeblich unausschüttbaren Nachtstuhls. Und Croxley, bei Gott, wenn er erst Croxley in die Finger bekam ... Doch selbst diese unterschwelligen Überlegungen fanden ein Ende, als der Rollstuhl aus dem Gang in die große, marmorne Eingangshalle raste. Für den Bruchteil einer Sekunde erhaschte Lord Petrefact einen Blick auf ein verschwommenes Gesicht, das sich, während er über den Marmorboden schlitterte, über die Balustrade beugte. Dann geriet der Rollstuhl ins Schlingern, donnerte gegen einen massiven Eichentisch, wobei Lord Petrefact an die Wand geschleudert wurde, und machte einen Ausfall in Richtung Tür – einen letzten Versuch in die Freiheit. Einen grausamen Augenblick lang sah sich Lord Petrefact im Geiste die Stufen hinunter und über den Kiesweg zum See geschleift werden. Doch seine schlimmsten Befürchtungen erfüllten sich nicht, denn der Rollstuhl verfehlte die Tür um knapp dreißig Zentimeter und knallte gegen eine Marmorsäule. Es knirschte metallisch, als es die Fußstützen zusammenquetschte, dann hörte man ein schwaches Surren, bevor der Motor verstummte und Lord Petrefact das Gefährt einholte, heftig dagegenprallte und reglos liegenblieb.

Kapitel 6
    Von der Galerie aus beobachtete Croxley mit einer Mischung aus Mißfallen und Genugtuung den endgültigen Abgang des Rollstuhls und mit ihm vermutlich den seines Dienstherrn. Gerade erst hatte er Leib und Leben riskiert, als er diesen unsäglichen Yapp aus einem Inferno, das ihm wie eine Kombination aus überheizter Sauna und Berg-und-Tal-Bahn vorkam, gerettet hatte. Nur mit allergrößter Mühe war es ihm gelungen, den angeschlagenen und völlig derangierten Professor davon zu überzeugen, daß dies kein vorsätzlicher Anschlag auf sein Leben gewesen war.
    »Woher zum Teufel hätte ich wissen sollen, daß dieses verdammte Ding seit sechzig Jahren nicht mehr benutzt worden ist?« kreischte Yapp, als Croxley ihn aus dem Badewannenwrack zog.
    »Ich habe Sie doch darauf aufmerksam gemacht, daß das hier so eine Art Museum ist.«
    »Von einer Folterkammer haben Sie aber nichts gesagt. Es sollte ein Gesetz geben, das die Installation von sanitären Mordinstrumenten verbietet. Ich hätte mich zu Tode verbrühen können.«
    »Durchaus«, sagte Croxley sehnsuchtsvoll. Angekleidet hatte Waiden Yapp schon keinen erfreulichen Anblick geboten, aber nackt, schweinchenrosa, voller blauer Flecken und völlig außer sich war er die leibhaftige Verkörperung seiner politischen Ansichten. So jedenfalls schien es Croxley. Er verließ ihn mit der zeitlich geschickt plazierten Bemerkung, daß er hoffe, Lord Petrefact werde ihm nicht die Fresse dafür polieren, daß er ein äußerst wertvolles Stück viktorianischer Lebenskultur und, wie es aussah, das gesamte darunterliegende Zimmer demoliert habe.
    Doch als Croxley auf die Galerie hinaustrat, sah alles ganz anders aus. Man durfte bezweifeln, daß Lord Petrefact noch Gelegenheit haben würde, ihn zu verklagen, und wenn jemand aufpoliert werden mußte, dann eher dieses Etwas, das hinten am Rollstuhl hing. Einen grausigen Augenblick lang hatte Croxley es für eine Pyjamahose gehalten, die aus einer Reinigungstrommel entwichen sein mußte und alles daransetzte, den Rollstuhl einzufangen. Erst nachdem das ekelerregende Bündel an die Wand geklatscht und der Rollstuhl mit der Mamorsäule kollidiert war, erkannte Croxley darin seinen Brötchengeber. Getrieben von

Weitere Kostenlose Bücher