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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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ein Dorf. Jeder wußte alles über jeden, oder glaubte das zumindest. Nicht daß die Leute ihm besonders viel erzählt hätten, Gott bewahre! Sie begegneten ihm mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht. Sie waren auf der Hut, so als ginge es ihm insgeheim darum, ihnen auf die Schliche zu kommen. Daran war er gewöhnt – wenn das Wort Kripo fiel, waren die wenigsten Leute entspannt, geschweige denn offen. Meistens machte ihm das nichts aus; er fragte sich grinsend, welch dunkle Geheimnisse die Leute glaubten, hüten zu müssen. Manchmal aber ging es ihm auf die Nerven, heute ganz besonders. Keiner hatte am Sonntag morgen etwas Verdächtiges beobachtet, das glaubte er ihnen sogar, aber als er nach Heiderose Jansen fragte, kam nichts als falsche Anteilnahme, Heuchelei kübelweise, so daß ihm ganz schlecht davon wurde.
    Man beobachtete ihn, wie er von Haus zu Haus ging, die Gardinen bewegten sich.
    Hausnummer 96, das waren Kleinmanns, die unmittelbaren Nachbarn der Jansen, von denen Frau Joosten gesagt hatte, sie hätten wegen des Gartens im Streit gelegen. Als er über den plattierten Weg ging, auf dem es kein Tüpfelchen Moos, keinen vorwitzigen Grashalm gab, konnte er Heiderose Jansen fast verstehen.
    Herr Kleinmanns war noch nicht von der Arbeit zurück, aber die Frau bat ihn, nachdem sie ihn von Kopf bis Fuß gemustert hatte, herein. Eine Frau in den Fünfzigern, wie aus dem Ei gepellt. Das Haus war so vollgestopft mit Seidenblumensträußen, Tiffanybildern und Porzellantellern und -figuren, daß Toppe sich möglichst wenig umschaute. Er lehnte den Likör ab, setzte sich auf die Kante des wuchtigen Sessels – braunes Leder und Eiche – und stellte seine erste Frage. Nein, sie hatten nichts gehört oder gesehen am Sonntag morgen. »Anständige Leute schlafen um diese Zeit.« Sie waren erst durch die Feuerwehr geweckt worden. Als er nach Frau Jansen fragte, schlug ihm Haß entgegen. Wenigstens mal ein echtes Gefühl, dachte er und hielt den Mund, die Frau war sowieso nicht mehr zu bremsen.
    »Vor bösen Nachbarn und vor bösem Wetter kann man nicht weglaufen, hat meine Mutter immer gesagt. Und recht hat sie gehabt. Die Jansen hat uns das Leben zur Hölle gemacht. Immer wegen dem Garten. Zweimal hat sie meinen Mann sogar angezeigt. Ist natürlich nichts bei rausgekommen. Aber für meinen Mann mit seinem kaputten Magen ist so was Gift. Ich weiß genau, was Sie jetzt denken!« Der kindische Trotz in ihren Augen paßte nicht zu ihrem glatten Gesicht. »Aber so primitiv sind wir nicht. Wir haben den Brand nicht gelegt!«
    »Woher wollen Sie denn wissen, daß der Brand gelegt worden ist?«
    »Ach, kommen Sie, uns können Sie doch nicht für dumm verkaufen! Wir haben so was jedenfalls nicht nötig. Wir wollen nämlich jetzt einen Anwalt einschalten, wegen dem Unkrautsamen, der von deren Wiese immer zu uns rüberfliegt. So was lassen wir uns nicht mehr bieten!«
    »Das Problem hat sich ja jetzt erledigt.«

    Der Timmersche Hof lag eigentlich zu weit weg von der Straße, als daß die Leute etwas beobachtet haben konnten, aber man wußte ja nie, immerhin standen Bauern sehr früh auf. Als Toppe den Schotterweg hochkam, schlugen Hunde an. Ein kleines Mädchen stand an der Hauswand und fuhr mit dem Zeigefinger die Fugen nach.
    »Guten Tag«, grüßte Toppe munter.
    Sie sah nicht auf. »Guten Tag, guten Tag, guten Tag.« wiederholte sie monoton mit fadendünner Stimme.

31
    Toppe drehte sich um. Der Hof lag auf einer leichten Anhöhe, so daß man die ganze Hamstraße einsehen konnte.
    Das Mädchen ließ sich mit geschlossenen Augen an der Wand hinabgleiten.
    An der Haustür gab es keine Klingel. Er klopfte und wartete, aber nichts geschah.
    Von der Scheune her hörte er Kinderstimmen. Die beiden Schäferhunde sprangen bellend gegen den Zwingerdraht. Als er um die Ecke bog, schlug ihm ein beißender Geruch entgegen; der Misthaufen lag in der prallen Sonne, blau- und grünschillernde Fliegen, ganze Schwärme.
    Mitten in der Scheune unter der Luke zum Heuboden ein grüner Hänger, hoch beladen mit Strohballen. Ein blonder Junge, höchstens zwölf Jahre alt, stand oben, stach eine Forke in einen der Ballen und warf ihn mit Schwung hoch auf den Heuboden, wo er am Rand kippelte. »Martin!« brüllte er, das Gesicht verzerrt. »Komm endlich, du Arsch!«
    Oben in der Luke erschien ein anderer Junge mit strubbeligen braunen Haaren und grinste. »Ich hab keinen Bock mehr.«
    Der andere antwortete nicht, sondern warf den nächsten

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