Feine Milde
Türspalt. »Ist ja doch einer hier!«
Astrid fuhr erschrocken auf.
»Tut mir leid. Ich hab aber angeklopft, echt.«
»Schon gut, ich war nur in Gedanken.« Sie ließ schmunzelnd den Blick über sein frisch gebügeltes Karohemd gleiten. »Ihre Frau ist wieder zu Hause«, stellte sie fest.
Ackermann riß den Mund auf. »Woher wissen Sie dat denn?« Dann lief er zum Fenster und schaute hinunter auf den Parkplatz. »Tut sich no’ nix«, murmelte er, kam zurück und ließ sich genüßlich in Toppes Sessel nieder.
»Kind«, meinte er breit, »jetz’ krisse wat zum Mitschreiben.«
Die Bilanzen von INTERKIDS aus den Jahren 90 bis 93 waren einwandfrei in Ordnung. Sie hatten nur einen kleinen Schönheitsfehler: die drei Kinder aus Bulgarien tauchten nirgendwo auf.
»Ich war dann bei die Familien Schimmelpfennig un’ Klein, un’ die hatten netterweise noch die Durchschriften vonne Überweisungen. Jeweils 10.000 Eier Anzahlung un’ dann noch ma’ 10.000, wenn se die Kinder gekricht haben. Bloß überwiesen ham die dat Geld nich’ auf dat Konto von INTERKIDS, sondern auf dat Konto von Maywald.«
Ackermann hatte sich auch noch die Bilanz des laufenden Jahres angesehen und mit den Eltern gesprochen, die am besagten Freitag ihre Kinder erwartet hatten. Auch sie hatten je 10.000 auf Maywalds Konto angezahlt. »Dat Geld is’ auch fein sorgfältich verbucht bei INTERKIDS, bloß leider am falschen Tach, nämlich ers’ am Donnerstag, dem 11. August. Dat war ein Tach, nachdem der Chef un’ Sie bei dem Maywald auf ’n Busch gekloppt haben. Is’ ihm wohl der Arsch auf Grundeis gegangen, wa?«
»Mein Gott, ist der blöd!« schnaubte Astrid. »Warum hat der denn die Bilanzen von den Jahren davor nicht auch noch frisiert?«
Ackermann lachte meckernd. »Dat hätt’ der Heini ma’ versuchen sollen! Aber nich’ mit Ackermann, sach ich Ihnen, nich’ mit Ackermann. So wat riech ich auf Kilometer.«
»Vielleicht hatte er das Geld ja auch gar nicht mehr«, überlegte Astrid.
»Aber hallo, Mädchen! Wenn ich bloß ’n Zehntel von dem seiner Knete hätt’ un’ war ’n Stücksken damit weg … Wat hat der gute Ackermann nämlich gemacht? Richtich! Is’ nache Staatsanwaltschaft gedüst, dat de Socken gequalmt haben, un’ Freund Wimmer, dat is’ der für de Wirtschaftssachen, war ganz aussem Häusken, sach ich Ihnen. Warten Se ma’, ich glaub, ich hör wat.« Er lief wieder zum Fenster. »Jau, gleich geht et loss.«
Astrid kam ihm nach. »Mannschaftswagen?« staunte sie.
Ackermann rieb sich die Hände. »Dat lieb ich ja so am Wimmer. Der Mann hat Sinn für Dramatik. Ich sach bloß eins: Showdown.«
Ackermann hatte mit Staatsanwalt Wimmer Maywalds Konto eingesehen und die Bestätigung gefunden: Das Geld von allen bulgarischen Kindern war auf Maywalds Konto geflossen. Wimmer hatte daraufhin sofort angeordnet, daß sämtliche Akten im Büro von INTERKIDS, aber auch in Maywalds Versicherungsagentur abgeholt und geprüft würden. Deshalb der Mannschaftswagen.
»Bloß der Maywald war nich’ da, un’ Wimmer hat ihm ’n Schatten vor’t Haus gestellt, der Bescheid sacht, wenn …« Unten sprang der Motor vom Einsatzwagen an.
»Ah, jetz’ is’ Maywald wieder zu Hause«, freute sich Ackermann.
»Müssen Sie nicht mit?«
»Ach wat, ich fahr mit meine Kiste hinterher. Dann kann ich wens’tens abhauen, wenn die Show gelaufen is’ un’ et bloß öde wird.« Aber er sprang dann doch auf.
»Wie is’ dat jetz’ mit Lowenstijn? Rufen Sie den an? Der will dabei sein, wenn wer den Maywald durch de Mangel drehen, dat hab ich sicher.«
Astrid nickte.
Ackermann war schon an der Tür. »Un’ Chef Toppe müßte auch gefracht werden, ob wer den Maywald jetz’ gleich hops nehmen, oder wat.«
Astrid nickte wieder nur und brachte Ackermann damit aus dem Konzept.
»Ich mein ja nur. Nich’ dat der uns noch durch de Lappen geht, wie damals der Geldek.«
»Wird er nicht«, sagte Astrid. »Ich kann mich selbst um den Haftbefehl kümmern. Da müssen wir gar nicht auf den ’Chef warten. Ich bin nämlich Kommissarin, wissen Sie?«
Ackermann schlug sich auf den Mund. »Oh, oh, Zoff inne Bude. Ich hab dat doch die ganze Zeit gemerkt, dat Sie wat haben. Wenn ich et nich’ so eilich hätt’ … Wissen Se wat? Et müßt Sie ma’ einer feste inne Arme nehmen, wenn Se mich fragen.«
Als Toppe bei der Hausnummer 96 angekommen war, konnte er die Leute gut verstehen, die es vorzogen, in einer Großstadt zu leben. Die Hamstraße war
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