Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 2
Einzelheiten.
Tal hielt Abstand, bis man ihn zur Kenntnis nahm,
dann verbeugte er sich. Der Prinz sagte: »Ah, Junker.
Schön, Euch wieder zu sehen. Es tut mir Leid, dass
ich Euch bei der Gala verpasst habe, aber ich habe
mich an diesem Tag nicht wohl gefühlt.«
Gerüchte im Palast besagten, dass der Prinz am
Abend vor Kaspars Willkommensgala so viel getrunken hatte, dass er es nicht wagen konnte, sich
mehr als ein Dutzend Schritte von der Toilette in seinen Gemächern zu entfernen. »Ja, das war bedauerlich, Hoheit. Schön zu sehen, dass Ihr Euch wieder
erholt habt.«
»Habt Ihr bereits trainiert?«, fragte der Prinz.
»Ich bin gerade fertig geworden, Hoheit.«
»Ah, das ist schade. Ich hatte heute auf einen
brauchbaren Gegner gehofft.«
Der Prinz war ein mittelmäßiger Schwertkämpfer,
aber aus politischen Gründen kam es selten dazu,
dass er einen Kampf verlor. Tal bezweifelte nicht,
dass er im Umkleideraum gewartet hatte, unter den
beruhigenden Händen einer Masseurin, bis man ihm
berichtete, dass Tal mit seinem Training fertig war.
»Kein Problem, Hoheit, ich bin schließlich immer
noch hier und trete gern gegen Euch an, wenn Ihr
eine Herausforderung sucht.«
Einige aus dem Gefolge des Prinzen wechselten
Blicke. An seinem besten Tag würde es der Prinz
nicht mit Tal an seinem schlechtesten aufnehmen
können, und die meisten hielten es für unwahrscheinlich, dass der Sieger des Turniers sich vom Prinzen
schlagen ließe, denn immerhin hatte Tal bisher keinen einzigen Kampf am Hof verloren, und wenn er
bis zum nächsten Turnier unbesiegt bliebe, würde er
der unumstrittene Meister aller Zeiten sein.
Prinz Matthew zwang sich zu einem Lächeln.
»Oh, wie schade! Ich habe meine Gegner bereits
festgelegt.«
Drei junge Schwertkämpfer standen in der Nähe,
einer von ihnen der junge Anatoli. Strahlend trat dieser nun vor und rief: »Hoheit, wenn Ihr es wünscht,
werde ich meinen Platz selbstverständlich gerne Junker Talwin überlassen.«
Wenn Blicke töten könnten, wäre von Anatoli
nichts weiter übrig geblieben als ein Häuflein qualmender Schlacke. Stattdessen sagte der Prinz: »Wie
freundlich von Euch, junger Herr. Das werde ich
Euch nicht vergessen.«
Tal versuchte angestrengt, nicht zu lächeln. »Warum wärmt Ihr Euch nicht mit den ersten beiden auf,
Hoheit, während ich mein Zitronenwasser austrinke?
Wenn Ihr mit ihnen fertig seid, werde ich gerne als
Euer letzter Gegner fungieren.«
Der Prinz lächelte, denn Tal bot ihm zumindest eine Chance, das Gesicht zu wahren. Er konnte die
beiden ersten Kämpfe gewinnen, und danach wäre es
keine Schande, vom Sieger des Turniers besiegt zu
werden. Und vielleicht wollte Junker Talwin sich ja
seine Gunst erwerben, indem er ein Unentschieden
zuließ – das hatte er doch sicher schon öfter getan?
Tal schlenderte zurück zum Büfett und aß noch ein
Stück Apfel. Der Prinz wurde schnell mit seinen anderen Gegnern fertig, denen es gelang, beinahe überzeugend zu verlieren.
Tal stellte den Becher mit Zitronenwasser ab und
kehrte auf die Kampffläche zurück. »Glückwunsch,
Euer Hoheit. Ihr seid nicht mal ins Schwitzen geraten.« Tatsächlich schnaufte der Prinz wie ein altes
Pferd, das den ganzen Tag lang hügelaufwärts gerannt war.
»Freundlich … sehr freundlich … von Euch …
Junker.«
»Sagen wir bis sieben? Das wird uns beiden ein
gutes Training verschaffen.«
Meister Vassily starrte Tal aus zusammengekniffenen Augen an. »Bis sieben« bedeutete, dass derjenige siegte, der als Erster vier Treffer landen konnte.
Für gewöhnlich ging ein Übungskampf nur bis zu
drei Berührungen. Tal würde ohne Schwierigkeiten
siegen, aber er würde dem Prinzen vier Treffer zufügen müssen statt der üblichen zwei von dreien. Der
Prinz saß in der Falle und konnte nicht ablehnen. Er
erwiderte: »Selbstverständlich.«
Dann sagte Tal: »Und wenn Ihr so freundlich sein
würdet – wir haben beide bereits mit Rapieren gekämpft. Ich könnte ein wenig Übung mit einer
schwereren Waffe vertragen. Wie wäre es mit Säbeln? Oder vielleicht mit Langschwertern?«
Alle in Hörweite schwiegen. Prinz Matthew war
nicht besonders gut mit dem Rapier, aber es war seine beste Waffe. Der schwere Kavalleriesäbel verlangte schnelle, kraftvolle Angriffe und das Infanterieschwert Durchhaltevermögen. Der Prinz entschied
sich für das kleinere Übel. »Also gut, Junker. Säbel.«
Tal bedeutete einem der Diener, ihm seinen Helm
und die Waffe zu reichen,
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