Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
war ein Fisch. Im Meer gibt es eine Menge Fische.«
Kendaric wirkte nicht so recht überzeugt. »Hier unten könnte auch ein Monster lauern.«
James schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
Sie erreichten die Tür und stellten fest, dass sie klemmte. James untersuchte sie sorgfältig. »Irgendjemand hat dieses Schloss aufgebrochen, aber die Strömung muss es wieder geschlossen haben, und jetzt hat sich die Tür vollkommen verkantet. Wir sollten sie aus den Angeln heben.«
Solon benutzte einmal mehr seinen Hammer, drosch damit auf die Angeln ein, bis sie sich lösten. Die Tür sprang ihnen förmlich entgegen – gefolgt von einer Wasserwoge. Leichen wurden an ihnen vorbeige-schwemmt, während die Wasserstände sich in den beiden Räumen einander anglichen. Solon warf einen Blick auf einen Leichnam, der vor ihm vorbeitrieb. Das Fleisch verfaulte an den Knochen, und es war offensichtlich, dass die Fische sich an dem Gesicht gütlich getan hatten. Dort, wo früher einmal Augen gewesen waren, klafften jetzt zwei leere Höhlen.
»Guter und treuer Diener Ishaps«, sagte Solon mit respektvoller Stimme. Dann schien er etwas entdeckt zu haben und langte nach unten. Er zog dem Leichnam einen riesigen Kriegshammer aus dem Gürtel und erklärte: »Das ist der Kriegshammer von Luc d’Orbain! Er hat einst einem ishapianischen Heiligen aus Bas-Tyra gehört und ist ein Relikt, das vom Tempel in hohen Ehren gehalten wird. Es wird dem Führer meines Ordens als Zeichen seiner Stellung verliehen und ist ein magischer Talisman von gewaltiger Kraft. Außerdem ist er eine gute Waffe.« Er warf noch einmal einen Blick auf die Leiche. »Das hier ist Bruder Michael von Salador.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist nur logisch, dass er persönlich die Gruppe angeführt hat, die sich um den Schutz der Träne kümmern wollte.«
»Wieso nehmt Ihr den Hammer nicht einfach mit?«, fragte James. »Wir sollten machen, dass wir die Träne finden und von diesem Schiff verschwinden, bevor es wieder sinkt.«
»Hier entlang«, sagte Solon. Er deutete auf einen Durchgang zum achtern gelegenen Laderaum.
»Wartet«, sagte er, als sie die nächste Tür erreichten. Er griff in seine Tunika und zog eine feine Kette heraus, an der ein kleiner blauer Edelstein hing, der schwach leuchtete. »Die Träne der Götter muss ganz in der Nähe sein.«
»Was ist das?«, fragte James.
»Ein Stück von der alten Träne. Der Hohepriester hat es mir gegeben. Es kann uns helfen, die Träne ausfindig zu machen, falls sie sich nicht mehr auf dem Schiff befinden sollte.«
James streckte eine Hand nach dem Türriegel aus.
»Wartet!«, sagte Solon noch einmal.
»Und was ist jetzt?«, fragte James.
»Um die Träne herum wurde ein Schutzzauber errichtet.
Falls Bär oder einer seiner Männer der Träne zu nahe gekommen ist, bevor das Schiff gesunken ist, könnte er ausgelöst worden sein.«
»Und was genau ist das für ein Schutzzauber?«, fragte James. Er war ganz offensichtlich verärgert darüber, erst jetzt – in allerletzter Minute – von diesem Schutzzauber zu erfahren.
»Die Seele eines … eines Drachen wurde eingefangen und eingesperrt. Er wird sich manifestieren und jeden angreifen, der der Träne zu nahe kommt, wenn vorher nicht bestimmte Rituale durchgeführt werden.«
»Früher oder später hättet Ihr uns das bestimmt noch erzählt, nicht wahr?«, fragte James. »Bislang habt Ihr es wahrscheinlich einfach vergessen.« Seine Stimme troff vor Sarkasmus.
»Solange wir die Träne noch gar nicht gefunden hatten, hat es dafür keinen Grund gegeben, Junker. Aber bedenkt, dass die Bestie keinerlei Verstand besitzt und jeden von uns angreifen wird, wenn sie erst einmal entfesselt ist.«
»Wie ist es denn überhaupt möglich, dass ein Drache in diesen Frachtraum passt?«, fragte Kendaric verwundert.
»So ein Wesen ist doch eigentlich ziemlich groß, oder?«
»Es ist kein richtiger Drache, sondern nur der Geist eines Drachen. Ein Gespenst, wenn Ihr so wollt.«
»Je mehr Ihr sagt, desto unglücklicher macht mich das alles, Solon«, bemerkte James. »Warum erzählt Ihr uns nicht einmal etwas Gutes?«
»Ich kenne das Ritual, mit dem man die Kreatur bannen und zurück in die Sphäre der Geister schicken kann.«
»Das ist in der Tat gut«, sagte James.
»Aber es dauert eine gewisse Zeit.«
»Das ist weniger gut«, sagte James. »Lasst mich raten: Der Drache wird uns angreifen, während Ihr versucht, ihn zu bannen.«
»Ja.«
»Und während wir
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