Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
was ich gemeint habe, als ich von einer Reise durch die Stadt gesprochen habe. Aber die Pflicht ruft…«
»Glaubt Ihr wirklich, dass Euer Freund Lucas hierher geflohen ist?«, fragte sie.
James spähte im Dämmerlicht nach allen Seiten. Nach einem kurzen Augenblick antwortete er: »Er kennt die Abwasserkanäle fast genauso gut wie die Spötter.« Er musterte die Wände und den Fußboden, als würde er nach einem Anhaltspunkt Ausschau halten, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollten. »Früher, zu Zeiten des Spaltkriegs, hat Lucas sowohl mit den Spöttern als auch mit Trevor Hulls Schmugglern zusammengearbeitet. Er hat sich bei den Spöttern eine Menge Wohlwollen erworben, und deshalb lassen sie ihn hier in Ruhe. Das können nicht viele Menschen von sich behaupten. Aus diesem Grund ist dies der Ort, an den er sich begeben wird, wenn er in Schwierigkeiten ist.«
»Wir müssen ein ziemlich großes Gebiet absuchen«, warf William ein. »Also sollten wir wohl am besten gleich anfangen. Fragt sich nur, wo wir als Erstes hingehen sollen.«
»Da entlang. Flussabwärts.« James deutete in die angegebene Richtung.
»Und warum?«, fragte Jazhara.
»Da unten gibt es ein paar alte Schmuggler-Verstecke, die Lucas kennt. Es gibt nicht mehr viele Menschen, die genau wissen, wo sie sind – nicht einmal bei den Spöttern.
Ich wette, Lucas hat sich in einem dieser Schlupfwinkel verkrochen.«
»Und du weißt, wo sie sind?«, fragte William.
James zuckte die Schultern. »Es ist zwar schon Jahre her, aber ich weiß ungefähr, wo sie sich befinden.«
William stieß aufgebracht die Luft aus. »Du weißt ungefähr, wo sie sich befinden?«
Jazhara lachte. »Nun, das scheint mir immer noch besser zu sein, als überhaupt keine Ahnung zu haben.«
Sie zogen durch die Abwasserkanäle, und die Geräusche, die sie dabei verursachten, wurden von dem Tröpfeln, Gurgeln und Plätschern überdeckt, mit dem das Wasser an den Steinen entlangschwappte. Von Zeit zu Zeit hob James die Hand, zum Zeichen, dass sie Halt machen sollten, und lauschte.
Nachdem sie sich fast eine halbe Stunde vorsichtig vorwärts bewegt hatten, kamen sie in einen großen Tunnel.
Von weiter vorn erklang das Rauschen rasch fließender Wassermassen. »Da vorn hegt das Zentrum des Abwassersystems«, sagte James. »Dort ergießt sich ein halbes Dutzend großer Tunnel in den Hauptkanal, der nach draußen führt, zum südlichen Ende der Bucht. Von dort aus werden wir einen anderen Tunnel nehmen, der uns zum alten Landeplatz der Schmuggler führt. Der Kanal ist so groß, dass man ihn mit einem Boot befahren kann.
Deshalb hatten die Schmuggler ihren Landeplatz am entgegengesetzten Ende, in der Nähe der Ostmauer der Stadt.«
»Wird er denn heutzutage noch von jemandem benutzt?«, fragte William.
»Du meinst, abgesehen von Lucas? Ich weiß es nicht.
Von denen, die damals hier unten gewesen sind, sind jetzt nicht mehr viele am Leben – und wenn, dann stehen sie in Diensten des Prinzen. Vielleicht haben aber auch die Spötter die Lagerräume mittlerweile entdeckt.«
Sie betraten einen größeren Kanal, und das Rauschen wurde lauter. »Ihr müsst hier besonders vorsichtig sein«, warnte James seine Begleiter.
Sie betraten einen großen Rundbau, von dem sechs Tunnel wie die Speichen eines Rades abzweigten. Über ihnen entleerten sich kleinere Röhren in den runden Mittelteil, und unter ihnen spritzte schmutziges Wasser auf. Sie gingen vorsichtig hintereinander auf dem schmalen Gehweg, der an der Mauer entlanglief, denn die Steine direkt um das tiefe Loch herum waren mit glitschigem Schlamm überzogen. Als sie am zweiten großen Tunnel vorbeikamen, fragte William: »Wo führen die eigentlich hin?«
»Jeder führt in einen anderen Teil der Stadt«, erklärte James. Er blieb kurz stehen und deutete auf einen der Tunnel auf der gegenüberliegenden Seite. »Der da drüben führt zum Palast. Ich nehme an, dass vor vielen Jahren ein Prinz beschlossen hat, das Abwassersystem zu verbessern.
Da oben gibt es eine alte Zisterne« – er deutete nach oben in die Dunkelheit –, »die dazu gedacht war, jede Nacht Wasser abzulassen, um die Abwasserkanäle durchzuspülen. Ich habe keine Ahnung, ob es jemals so funktioniert hat, wie es gedacht war, aber …« Er setzte sich wieder in Bewegung. »Ich kenne niemanden, der sich noch daran erinnern könnte, dass sie einmal benutzt worden wäre.
Viele Kaufleute graben ihre eigenen Tunnel zu den Abwasserkanälen, wenn sie ihre Geschäfte
Weitere Kostenlose Bücher