Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
erstaunlich kleinen Radius einen Halbkreis. Dann
stürzte es sich mit flammendem Schweif auf mich nieder …
Ich sprang in den Durchgang und stellte zu meinem
Grausen fest, daß sich dahinter nichts anderes als ein Schacht mit einer aus
schwerem Stein behauenen Wendeltreppe verbarg. So wie es aussah, führte sie zum
Laternengang. Was sollte ich bloß tun? Zurück wäre glatter Selbstmord gewesen.
Stillstand jedoch ebenfalls!
Ohne weiter zu überlegen, begann ich die Spirale
hochlaufen. Atemlos jagte ich hinauf, und die unter meinen Pfoten
vorbeirauschenden Steinstufen verwandelten sich schnell in Streifenmuster auf
einem gezwirbelten Band.
»Francis, du dämlicher Klugscheißer, warum mußtest
du auch unbedingt deine Nase in diese schmutzige Sache hineinstecken!« schrie
Antonio mir im Schacht nach.
Auch er hechelte rasenden Schrittes die
Wendeltreppe hoch. Da er sich mehrere Schraubendrehungen unter mir befand,
konnten wir uns nicht sehen. Allerdings war mir gegenwärtig auch nicht danach,
den Handlanger des Todes vor die Augen zu bekommen. Vielmehr interessierte mich
der andere Todesbringer. Durch eine kleine Luke im Gemäuer sah ich, wie die
Rakete unten in den dunklen Durchgang hineinrauschte. Bald würde sie hier oben
sein.
»Verdammter Idiot«, rief Antonio, und seine Stimme
klang gebrochen. »Die Siamesin wäre das letzte Opfer gewesen. Alles hätte sich
von selbst erledigt, und in ein paar Wochen hätte niemand mehr einen Gedanken
an die Sache verschwendet. Und hättest du die Sache mit Samantha geschluckt,
hätte ich dich auch nicht zur Ponte Rotto gelockt. Verdammter Idiot!«
Inzwischen war die Leistungsfähigkeit meiner Lungen
fast bis an die Grenze eines Kollapses ausgereizt. Die Stufen, die ich
bestiegen hatte, schienen kein Ende zu nehmen. Durch eine neue Luke sah ich
unten das gesamte Mittelschiff des Doms, was einer Sicht aus einem Flugzeug
gleichkam. Umberto und der General waren nur noch ameisenkleine Punkte auf dem
mit kunstvollen Intarsien ornamentierten und von dämmerigem Licht beschienenen
Marmorboden. Dennoch reichte meine Sehschärfe noch aus, um aus ihren Gesichtern
beispiellose Faszination abzulesen, absolute Begeisterung für diesen
Stapellauf, von dem sie schier besoffen zu sein schienen.
Die Münder standen ihnen offen, und sie wurden vor
Ergötzen von unwillkürlichen Zuckungen heimgesucht.
Ich wagte zu prophezeien, daß bei einer derart
verkommenen Rasse selbst hundertmal schlauere Maschinen als Miracolo das
Foltern und Morden auf der Welt in hundert Jahren nicht beenden könnten!
Ich gab mir selbst die Peitsche und kletterte die
Stufen in stürmischem Tempo weiter hinauf. Obgleich ich stark unter
Atemlosigkeit und dem Drehwurm-Syndrom litt, trieb mich eine magische Kraft
immer unbarmherziger voran. Aus dem unteren Teil des Schachts vernahm ich das
Kreischen der Rakete, das sekündlich lauter wurde.
Das Aufeinandertreffen von Miracolo und meiner
Wenigkeit schien unvermeidlich zu sein. Umbertos Bastelkünste hatten bis jetzt
jedenfalls nichts zu wünschen übriggelassen. Das Ding funktionierte perfekt,
und trotz des Extremsports, den ich gerade betrieb, drängte sich mir immer
vernehmlicher die Frage auf, was ich wohl unternehmen sollte, wenn ich oben im
Laternengang angekommen wäre.
Mit einem Mal erhielt die letzte Frage akute
Brisanz.
Fahle Helligkeit schwebte mir entgegen, und ehe ich
mich versah, stand ich nach der hundertzweiundvierzigsten Stufe im
Kuppelrondell! Durch die Eisenstäbe des Geländers sah ich als erstes die im
Innern der Kuppel auf vergoldetem Grund angebrachten Worte aus dem
Matthäus-Evangelium in lateinischer Sprache: »Du bist Petrus, und auf diesen
Felsen werde ich meine Kirche bauen, und dir gebe ich die Schlüssel des
Himmelreiches«.
Die Worte klangen für mich wie ein Gebet. Da Beten
wohl das einzige war, was mir in meiner verzweifelten Lage übrigblieb, bat ich
Petrus schnaufend und keuchend um Hilfe. Immerhin lagen seine Gebeine direkt
unter dem Papstaltar, so daß der transzendentale Kommunikationsweg zwischen uns
relativ kurz war.
Doch obwohl ich himmlischen Beistand erbat,
vernachlässigte ich die Suche nach einem diesseitigen Ausweg aus dem Dilemma
keineswegs. Ohne mir eine Verschnaufpause zu gönnen, lief ich den Rundgang
entlang, in der trügerischen Hoffnung, Miracolo so irgendwie verwirren zu
können. Unterhalb der Kuppel standen in den Nischen der Pfeiler vier riesige
Heiligen-Figuren, die mit der Passion Christi verbunden
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