Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
im schwarzen Priestergewand stand sein Herrchen
Umberto, mit dem ihn eine schicksalhafte Zuneigung und die gleiche Art von
Weltsicht verband. Der Mann sah ziemlich blaß aus. Seine Schußverletzungen
machten ihm wohl immer noch zu schaffen. Ihm schräg gegenüber erschien der
kantige ältere Herr mit den schlohweißen Haaren, den ich vor zwei Tagen auf dem
Flughafen im Gespräch mit meinem vermeintlichen Samariter gesehen hatte. Damals
hatte ich mir einige Gedanken über das Militärabzeichen an seinem Jackenrevers
gemacht. Jetzt war mir klar, daß es sich bei ihm um einen General der US-Army
handelte. Die Unterhaltung zwischen den beiden Angehörigen sehr ungleicher
Berufsgruppen, die ich noch mit einem Ohr mitbekommen hatte, hatte sich um
einen Termin in irgendeiner Kirche gedreht. Nun durfte ich diesem Geheimtreffen
sogar beiwohnen!
Umberto hatte auch etwas zum Spielen mitgebracht:
den Miniatur-Flugkörper. Dieser war auf eine kleine Rampe gesetzt, und wies in
die unendlichen Weiten des Kirchenraumes. Ein paar Meter entfernt befand sich
ein Laptop, der ganz offenbar der Befehlsgeber des High-Tech-Gerätes war. Der
Pater begann nun zu sprechen, und trotz der weiten Entfernung bekam ich dank
meiner Superohren jedes einzelne seiner Worte mit.
»Sie wissen, was mir dieses Gotteshaus bedeutet«,
sagte er mit seiner engelsgleichen Stimme zu dem in feinstem englischen Tweed
gekleideten Militär. »Und genau aus diesem Grund habe ich Sie zur
Testvorführung von Miracolo hierher eingeladen. Wenn ich mir meiner Sache nicht
sicher wäre, hätte ich es nicht getan. Denn würde auch nur ein einziger Kratzer
diese heilige Halle oder ihre Kunstwerke verletzen, würde ich es mir nicht
verzeihen.
Mehr noch, man würde mich als Sicherheitschef
sofort zur Verantwortung ziehen. Ich wäre zwar nicht im weltlichen Sinne
ruiniert, denn ich verfüge über keinerlei Eigentum und werde den Prototyp Ihrer
Regierung deshalb ohne eine Gegenleistung überlassen, aber es gibt an diesem
Ort auch einen Ruin jenseits monetärer Betrachtungen.«
Umberto, der Schöne, wandte sich ab und begann
gesenkten Hauptes auf- und abzugehen. Er wirkte dabei unheimlich müde,
geradeso, als hätte er jahrelang eine Tonnenlast tragen müssen.
»Miracolo ist ein selbstgelenkter Flugkörper mit
einem gewöhnlichen Gefechtskopf. Nur daß er nicht von Satelliten erspähte
Gebäude und Anlagen zerstören kann, sondern …«
Er machte eine bedeutungsvolle Pause und lächelte
ein bißchen irre in sich hinein.
»… sondern Menschen, die er kennt. Man kann
ihn mit den biometrischen Daten einer bestimmten Person füttern – selbst eine
Fotografie aus der Zeitung genügt –, und schon begibt er sich auf die Jagd.
Diese Technologie ist weder neu noch einzigartig. Ich schätze, ihre
Cruise-Missiles sind theoretisch ebenfalls imstande, solche Missionen zu
erfüllen, zumindest auf freiem Gelände. Das eigentliche Problem taucht auf,
wenn es um die Manövrierfähigkeit des selbstgelenkten Flugkörpers im engsten
Raum geht – und ich spreche hier von einem Radius von weniger als zwei Metern!
Eine selbstgelenkte Rakete kann um Kurven und Straßenblöcke biegen und dann das
vorgegebene Gebäude zerstören, doch sie ist nicht in der Lage, ohne Schaden
anzurichten, selbständig in eine Tür hineinzurauschen, das Treppenhaus
hinaufzufliegen, von Zimmer zu Zimmer zu schweben und schließlich das
Zielobjekt in der Toilette zu treffen.
Warum? Weil sie über kein echtes Gleichgewichtsorgan
verfügt und infolgedessen auch über keinen echten Gleichgewichtssinn! Es
ist und bleibt ein starres Geschoß, eine Kugel mit etwas Steuerungsfähigkeit,
nicht mehr.
Miracolo ist das Gegenteil!«
Ich erkannte in Antonios Gesicht nun eine gewisse
Regung, die ich als ein Zeichen von Schuldbewußtsein interpretierte. Er starrte
mich mit bedauernder Miene an, als bitte er mich um Verzeihung und als leide er
selbst unter den Geistern, die er gerufen hatte. Ich spürte ganz deutlich in
ihm den Drang, mir klärende letzte Worte zu sagen, bevor … bevor was geschehen
würde? Ganz langsam, so als würde sich eine Kugel auf einem Gefalle in Bewegung
setzen und zunächst gemächlich, dann jedoch immer mehr an Fahrt gewinnend
herunterrollen, ging mir auf, welchen Zweck ich in dieser Nacht zu erfüllen
hatte. Umberto war nicht an meinem Vestibulärorgan interessiert gewesen. Das
Projekt war schon soweit gediehen, daß man sogar einen ersten Test wagen
wollte. Doch er brauchte ein Versuchskaninchen
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