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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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gefehlt.
    Er wurde gerade von einem asthmatisch hechelnden Kläffer
verfolgt, einem pferdgroßen Dummbeutel, dessen Lebenssinn und -freude wohl
einzig aus solcherlei sinnlosen Jagden bestand. Doch als er mich erblickte,
nahm sich Yves trotz der Bedrängnis Zeit, bremste abrupt und schaute mir mit
seinen erlesenen Phosphorglubschern tief in die Augen.
    »Hey, ein gewisser Geruch, den du verströmst, Kleiner,
sagt mir, daß wir verwandtschaftliche Beziehungen pflegen.«
    Mit meinen drei Monaten verstand ich seine geschraubte Ausdrucksweise
nicht und sagte, was ich damals in diffizilen Situationen immer zu Erwachsenen
sagte: »Ich habe gar nichts gemacht!«
    Er lächelte ein abgeklärtes Lächeln und strich sich mit
einer Pfote über die schneeweißen Schnurrhaare, die so wirkten, als habe man
sie ihm für eine besonders theatralische Aufführung von Die drei Musketiere ins
Gesicht geklebt.
    »Das Wort machen wird inflationär verwendet, Kleiner«,
erwiderte er. »Ich habe gar nichts angestellt, hört sich eleganter an. Aber, mea
culpa, ich wußte ja, daß ich mich unter mein Niveau begab, als ich mich mit
deiner minderbemittelten Mutter einließ. Tja, Amor spielt Roulette, was das
Abschießen der Pfeile anbelangt. Kurz, ich scheine wohl dein Vater zu sein.
Wenn wir uns nicht mehr begegnen sollten, zwei Ratschläge für deinen weiteren
Werdegang: Lese den kompletten Marcel Proust und verzichte beim Verzehren der
Mäuseartigen auf den Darmbereich. Glaub mir, die fressen jeden Scheiß,
Kleiner!«
    Das war's! Danach habe ich den Alten nie wiedergesehen.
Was seine Tips anging, hatte er natürlich recht. Aber wäre ich ein paar
Jährchen älter gewesen, hätte ich ihm noch einen angenehmen Aufenthalt zwischen
den Zähnen des Kläffers gewünscht. Meine Geschwister und ich waren nämlich von
einer Streunerin geboren worden, ohne Obdach und regelmäßiges Futter. Zudem
setzte uns Schnee und Frost zu. Dennoch kämpfte Mama wie eine Löwin um ihren
Nachwuchs. Sie hatte es geschafft, in einem verfallenen Schuppen ein kleines
Nest einzurichten. Eingekuschelt zwischen Stoffetzen und vertrockneten
Grasbüscheln hatten wir es einigermaßen warm. Eine meiner ersten Erinnerungen
war, wie Mama uns, als wir gerade unsere ersten Hauer bekamen, Fleisch brachte.
Ich meine damit nicht irgendeine behinderte Maus, die für die versierte Jägerin
zu langsam gewesen war, sondern richtiges, allerbestes Fleisch. Ein schönes
rotes Rumpsteak, zwei Finger dick. Wie sie uns erzählte, hatte sie ein
Schlupfloch zur Kältekammer einer Fleischerei entdeckt, die sich am Rande des
Altbaugebiets befand. Sie war eine gute Jägerin, meine Mutter, aber sie war
eine noch bessere Diebin. Mal schleppte sie eine Lage Schinken an, die sie
irgendwelchen Menschen vom Frühstückstisch stibitzt hatte, mal einen
Riesenfisch aus einem der umliegenden Gartenteiche. Solche Einblicke ins
Schlaraffenland waren freilich selten, dennoch hatten wir dank Mama öfters eine
Abwechslung zur öden Rattenkost.
    Dann jedoch kam das Verhängnis. Erst das kleine über Mama,
dann das große über uns alle. Der Schnee war geschmolzen, und die ersten
Blumentriebe bohrten sich durch die Erde himmelwärts. Eine grüne Pelerine mit
bunten Tupfern begann sich über das verlassene Areal zu legen, das noch Tage
zuvor wie eine deprimierende Collage aus kahlen Ästen und grauem Matsch
ausgesehen hatte. Selbst aus den Mörtelfugen der verfallenen Ziegelsteinmauern
und der altehrwürdigen Häuserwände sproß das Grün nur so hervor. Die Sonne
erwärmte zum ersten Mal so richtig mein Fell, und zum ersten Mal in meinem
jungen Leben kam ich in den Genuß des Dösens unter ihren Strahlen. Meine
Geschwister und ich tobten immer furchtloser außerhalb des Schuppens herum und
begannen die Jagd zu erlernen.
    Eines schönen Frühlingsmorgens verließ uns Mama schon in
der Frühe. Sie wollte einen erneuten Einbruch in die Kältekammer der
Fleischerei wagen, bevor die Beschäftigten dort zur Arbeit erschienen. Sie
blieb lange weg, und als es langsam auf den Nachmittag zuging und sie immer
noch nicht da war, begannen wir uns trotz unserer jugendlichen Unbeschwertheit
Sorgen zu machen. Und dann kam sie. Wir sahen sie in dem aufsprießenden Gras
von weitem und merkten sofort, daß irgend etwas mit ihr nicht stimmte. Sie
wankte. Aber nicht nur das. Ihr Gesicht schien sich verändert zu haben.
Auffällig dunkel war es auf der linken Seite, so tief dunkel und aufgebläht,
als habe sich ein dreidimensionaler

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