Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
Revier
herumgesprochen haben, wahr ist, dann gehörst du in die Kategorie
Meisterdetektiv.«
    Ich seufzte, wandte mich von Junior ab und vergrub den
Kopf halb zwischen den Fusseln des Schaffells. »Vielleicht. Es ist nur so, daß
am Anfang das Versagen stand. Und gleichgültig, wie alt du auch sein wirst,
mein Junge, ein Versagen in der Jugend wird dich immer mehr fuchsen als eins im
hohen Alter.«
    »So ein Quatsch!« sagte Junior im heiteren Tonfall. »Du
bist mein Held und bleibst es auch. Selbst wenn du Anno Tobak den Diebstahl
einer Flasche Milch nicht hast aufklären können.«
    »Es ist nicht um den Diebstahl von einer Flasche Milch gegangen.«
    »Worum ging es denn?«
    »Um den Weltfrieden.«
    »Tja, wenn das so ist, dann frage ich noch einmal: Wie
wurdest du so, wie du jetzt bist, Paps?«
    »Strapaziös«, sagte ich. Der Glutschein aus dem Kamin
hatte unsere Gesichter inzwischen vollends in ein tiefes Purpurrot getaucht, so
daß die eigentlichen Fellfarben neutralisiert waren. Hinter den Fensterscheiben
wirbelten die Schneeflocken immer dichter, und das leise Seufzen der
Schlafenden in dem ansonsten völlig dunklen Raum war wie ein leiser, einlullender
Gesang, der mich in jene dunkle und doch vom aufgehenden Licht meines jungen
Lebens beschienene Zeit entführte.
    »Leicht hatte ich es eigentlich nie«, begann ich meine
Erzählung. »Doch wie brutal ich von meiner Mutter und meinen geliebten
Geschwistern auseinandergerissen wurde, das habe ich bis heute nicht richtig
verkraftet. Wir hingen zwar nicht mehr an ihren Zitzen, aber ...«

2
     
    ... aber dennoch verehrten wir dieses liebevolle, warme
Wesen, das uns alle erschaffen und trotz armseliger Verhältnisse sechs Monate
lang unter viel Mühsal durchgebracht hatte. Sie gehörte jener edlen Rasse der
... nun, man sollte die Erinnerung nicht nachträglich zur Erfüllung seiner
Ideale mißbrauchen. Unsere Mutti gehörte weder einer edlen noch einer anderen
mir bekannten Rasse an. Sie sah irgendwie so aus, als hätte sich der liebe Gott
bei ihr für die billige Standardversion entschieden, will sagen, es handelte
sich bei ihr um eine graugetigerte Promenadenmischung. Nichtsdestotrotz war sie
mit einem Mutterherz ausgestattet, dessen Größe und Kraft alles Edle
überstrahlte. Ich hatte noch einen Bruder, einen schwachbrüstigen,
kleingeratenen Kerl, der zudem keine große Leuchte gewesen war. Einmal ertappte
ich ihn dabei, wie er sich mit einem ausgestopften Elchkopf auf einem Sperrmüllhaufen
unterhielt.
    Ganz im Gegensatz zu meinen drei ziemlich frechen
Schwestern, die den lieben langen Tag nichts anderes im Sinn hatten, als sich
miteinander zu streiten. Wir alle waren Winterkinder, geboren irgendwann im
November in einem Gelände mit vermoderten Häusern und verwilderten Gärten, das
ungefähr einen halben Quadratkilometer groß und völlig sich selbst überlassen
war. Nahezu alle Gartenmauern, die die Grundstücke voneinander trennten, waren
verfallen. Der Blick ging ungehindert durch Durchbrüche, die an asiatische
Tempelrudimente im Dschungel erinnerten. Damals, in den späten Achtzigern des
vorigen Jahrhunderts, hatte der Run auf Altbauten erst zögerlich begonnen, und
allein sehr hellsichtige Immobilienhaie sahen hier eine goldene Zukunft
heraufziehen. Sie waren schon eifrig dabei, Opalein und Omalein dazu zu
überreden, ihnen die Gründerzeit-Wracks mit Kohleofen und Klo auf dem Gang für
einen Appel und Ei zu überlassen. Freilich erkannte ich solche Zusammenhänge
erst viel später. Für mich war das Gelände damals auf den ersten Blick ein
kleines Paradies.
    Begonnen hatte es allerdings mit der Hölle. Wie das bei
meiner Art so üblich ist, hatte mein toller Papa nach der kurzen Liaison mit
Mama das Weite gesucht und ward nicht mehr gesehen. Das heißt, das stimmte
nicht ganz. Einmal standen wir uns doch von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Ich erlernte gerade den lustigen Zeitvertreib des Mückenschnappens, da lief ein
ziemlich, wie soll ich sagen, homophil wirkender Typ durchs Gestrüpp. Er war schwarzweiß
gefleckt wie eine Holsteinische Kuh, und seine Haare sahen ebenso
hochdramatisch toupiert aus wie bei Junior. Sein Gesicht glich dem eines Yves
Saint Laurent mit Spitzohren und Schnurrhaaren, und irgend etwas in dem
zwischen Langeweile und Weltekel schwankenden Ausdruck verriet mir, daß ich es
nicht mit einem x-beliebigen Artgenossen zu tun hatte. Es hätte nur noch die
eckige Brille von Yves vor den hell leuchtenden ozeangrünen Augen

Weitere Kostenlose Bücher