Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
schon ein trauriges Bild abgeben zwischen den kahlen Mauern. Ich hätte
wieder in Tränen ausbrechen mögen, doch etwas sagte in mir, daß in dieser
Situation Verzweiflung und Selbstmitleid die denkbar schlechtesten Ratgeber
wären. Obwohl mich Efendis Mutmaßungen ziemlich verwirrt hatten, wischte ich in
einem Anfall von Aufbegehren alle Zweifel beiseite. Ich stupste mit beiden
Vorderpfoten gegen Refizuls Gesicht, damit er aufwachte und etwas unternahm,
egal was. Hauptsache, er überließ sich und mich nicht diesem trostlosen
Schicksal.
Langsam kam er zu sich, doch er war von der Folter derart
erschöpft, daß er gerade mal die Augen aufbrachte und die Lippen bewegen
konnte. Vermutlich besaß er lediglich eine ungefähre Ahnung davon, wo er sich
befand. »Dude?« stieß er schließlich mit gebrochener Stimme hervor.
»Ja, ich bin es, Dude«, antwortete ich aufmunternd. »Mann,
dich haben sie ja mächtig in die Mangel genommen.«
»Kann man wohl sagen, lieber Freund. Wie ist es dir denn in
der Zwischenzeit so ergangen?« Er schaffte es, sich ein wenig aufzurichten, und
schaute sich desorientiert um.
»Ganz prima«, sagte ich. »Efendi hat mir einige
Sachen erzählt, während du, nun ja, beschäftigt warst. Hört sich alles ziemlich
schräg an. Wie dem auch sei, ich habe mit angesehen, was diese perversen Ärzte
mit dir angestellt haben. Du hattest recht, die Gegenseite benutzt diesen
entsetzlichen Ort als Endlager für ihre besiegten Feinde. Aber Lamentieren ist
Zeitverschwendung. So wie es aussieht, bin ich der einzige hier, dessen Hirn
noch nicht zu Pudding geworden ist. Und dieses Hirn hat soeben beschlossen, daß
wir einen Ausbruch wagen werden. Noch heute nacht!«
Zunächst dachte ich, daß Refizul von einem Hustenanfall
geschüttelt wurde. Er prustete im abgehackten Rhythmus los, wobei die Brust
ruckweise auf- und abfuhr. Ein kratziges Geräusch entrang sich seiner Kehle,
welches sich sukzessive zu einem rauhen Bellen steigerte. Schließlich
kulminierte das Ganze in einem brüllenden Gelächter.
Verständlicherweise zog ich ein beleidigtes Gesicht. »Was
gibt es da zu lachen?« fragte ich. Am liebsten hätte ich kehrtgemacht und ihn
und seine bekloppte Gefolgschaft sich selbst überlassen. »Glaubst du, es ist
gottgegeben, daß du, diese kranken, alten Leute und meine Artgenossen für immer
und ewig in dieser Hölle schmoren müssen?«
»Ja, irgendwie schon«, sagte Refizul. Er lachte jetzt
nicht mehr. Statt dessen bemächtigte sich eine tiefe Niedergeschlagenheit
seines eh schon abgewirtschafteten Gesichts, wie ich sie noch bei keinem
Menschen gesehen hatte. Trotzdem schaffte er es, den Oberkörper vollständig
aufzurichten, so daß er auf der Pritsche eine sitzende Stellung einnahm. »Wie
eine Strafe Gottes kommt es mir jedenfalls vor.«
»Nein, nein und nochmals nein! Damit kann ich mich nicht
abfinden. Efendi sagte, daß alle freiwillig hier sind.«
»Efendi pflegt sich bisweilen mißverständlich auszudrücken.
Liegt wahrscheinlich daran, daß er hier schon zu lange vor sich hinvegetiert.
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen freiwillig und freiwillig,
mein lieber Freund. Kennst du die Geschichte von dem Sklaven, der so lange ein
Sklave war, daß er vor lauter Furcht vor der Freiheit seinem Herrn weiterhin
als Sklave dienen wollte, obwohl dieser ihm die Freiheit schenken wollte?
Sowohl die Menschen als auch die Tiere in diesem Kerker sind über so viele
Jahre mißhandelt, eingeschüchtert und ihres Willens beraubt worden, daß sie
sich ein Leben draußen nicht mehr vorstellen können. Allein der Gedanke an eine
Auflehnung gegen ihre Peiniger grenzt schon an ein Sakrileg.«
»Aber dich hat man doch sogar zwischenzeitlich entlassen.«
»Und was hat es mir genützt? Irgendeinen Grund, der den
Patienten vor sich selber schützen soll, finden diese Ärzte doch immer.«
Ich sprang von dem Bett und begann, auf dem aus
abgewetzten Steinquadern bestehenden Boden auf und ab zu gehen. Im Silberlicht
des Vollmondes warf mein Körper überlange Schatten. »Niemals!« sagte ich voller
Pathos. »Ich weigere mich, zu akzeptieren, daß die Tyrannei triumphiert.
Sklaverei ist längst abgeschafft, und wer sich mit ihr arrangiert, verdient
nichts anderes, als ewig Sklave zu bleiben. Aber wir können versuchen, die
Augen der Sklaven zu öffnen. Es muß verdammt noch mal eine Möglichkeit geben,
wie wir dieser Jauchegrube entfliehen können.«
»Die gibt es auch«, sagte Refizul. Ich war so in
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