Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
meine
Spartakus-Phantasien vertieft, daß ich ihn während meiner nervösen Wanderung
fast völlig ausgeblendet hatte. Der überraschende Zwischenruf ließ mich zu ihm
aufschauen. Refizul, der eben noch wie ein Häufchen Elend auf der Pritsche
gelegen hatte, stand runderneuert vor mir. Ich war baff und fühlte mich wie in
einem Film, den man um ein gutes Stück vorgespult hat. Der Alte schien jäh von
einer mysteriösen Frische ergriffen worden zu sein. Die Falten in seinem
Gesicht hatten sich weitestgehend geglättet, die schulterlangen grauen Haare
sahen aus, als hätten sie eine spektakuläre Begegnung mit den Künsten eines
erstklassigen Coiffeurs hinter sich, und statt der deprimierenden Trübe von vorhin
glühte wieder das stechende Blau in seinen Augen. Sogar die grauen Abdrücke der
Elektroschockzange an den Schläfen waren verschwunden. Das einzige, was sich
nicht verändert hatte, war das lächerliche Nachthemd, in dem er steckte.
»Es gibt da tatsächlich einen Weg, die Freiheit zu
erlangen, mein Freund«, sagte Refizul, während ich noch damit beschäftigt war,
aus dem Staunen herauszukommen. Doch vielleicht bildete ich mir diese
Turbo-Genesung auch nur ein. Wahrscheinlich war er von meinem revolutionären
Elan so angesteckt worden, daß sein Körper auf psychosomatischem Wege eine
positive Metamorphose durchlaufen hatte. »Wir besitzen gegenüber der
feindlichen Seite einen Trumpf.«
»Aha. Und welchen?«
»Wir müssen einen Pakt schließen. Einen unkündbaren. Denn wir
beide sind die einzigen, die noch den Willen besitzen, das Joch abzuschütteln.«
»Wir brauchen gar nichts zu schließen. Wir können es
einfach tun.«
Refizul lächelte milde, als hätte er einen Schwachsinnigen
vor sich, dem man erst umständlich erklären muß, daß auf den Tag die Nacht
folgt. »Es hat keinen Sinn, Dude, etwas zu wollen, ohne daran mit ganzem Herzen
zu glauben und es mutig kundzutun. Genausowenig kann man einen Sklaven einfach
in die Freiheit entlassen, wenn dieser sich nicht als ein freies Individuum
begreift. Er mag sich nach seiner Freilassung zwar durchaus als frei empfinden,
aber schon bei der ersten Versuchung verwandelt er sich zurück in einen
Sklaven. Was ich damit meine, ist folgendes: Sollten wir wirklich einen
Ausbruch wagen – und diese Tat wird der Gegenseite einen Schlag ins Gesicht
versetzen, von dem sie sich nicht mehr so leicht erholen wird -, dann müssen
wir beide mit ganzem Herzen davon überzeugt sein.«
»Noch mal aha! Worauf willst du hinaus?«
»Wir müssen Zeugnis von unserer Vision ablegen. Dieser
Kontrakt ist sozusagen ein symbolischer Akt. Dadurch dokumentieren wir unsere
Verzweiflung, aber auch unsere Unbeugsamkeit für die Nachwelt. Ein Boxer steigt
ja auch nicht in den Ring, bevor nicht ein anständiger Vertrag aufgesetzt wurde.
Es soll so etwas wie unsere Unabhängigkeitserklärung sein.«
»Und was soll in diesem Kontrakt drinstehen?«
»An erster Stelle natürlich, daß wir als Verbündete
unterschiedlicher Arten die Verständigung zwischen allen Arten fordern. Die
direkte Kommunikation zwischen Mensch und Tier ist nachgewiesenermaßen möglich.
Die Aufdeckung dieser Tatsache wird ungeheure Konsequenzen für die Menschheit
nach sich ziehen – doch das soll uns nicht daran hindern!«
»Toll! Ich höre schon, wie die Sklaven ganz laut mit ihren
Ketten rasseln, wenn sie von diesem Paragraphen Wind bekommen.«
»Genauso ist es. Dann kommst du ins Spiel.«
»Ich, Majestät?«
»Ja, du, Dude. Stellvertretend für alle Tiere auf diesem
Planeten belegst du mit deiner Unterschrift deinen Willen, diesen Kampf bis zum
bitteren Ende auszufechten. Du bist das Gesicht der Befreiungsbewegung und das
Siegel. Warum? Weil du auserwählt bist. Ich habe im Laufe meiner Mission viele
von deinesgleichen getroffen, die intelligent und smart genug waren, sich auf
die Sache einzulassen. Doch entweder aus Teilnahmslosigkeit oder aus reiner
Furcht haben sie sich stets davor gedrückt, den letzten Schritt zu tun und mit
mir gemeinsam eine Revolution von solcher Tragweite zu starten. Sieh dir Efendi an. Du jedoch
bist anders, willst gleich Nägel mit Köpfen machen. Du bist ein sehr starker
Verbündeter.«
»Apropos Unterschrift«, unterbrach ich ihn. Ehrlich gesagt
hatte ich nicht den blassesten Schimmer, warum der Kerl plötzlich von diesem
Vertragsfimmel geritten wurde. Aber es war ja kein großes Geheimnis, daß
Akademiker selbst ihre abstrusesten Ideen gern schwarz auf weiß sehen
Weitere Kostenlose Bücher