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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Er
erwischte ihn auf halber Strecke, griff ihn sich mit zwei Fingern am Genick und
riß ihn in die Höhe. Der arme Kerl baumelte wie ein Bündel an der Wäscheleine
und ruderte mit allen vier Pfoten in der Luft. Der schwarze Schwanz schlug
verzweifelt um sich.
    »Niemand verläßt mich!« schrie Luzifer und entblößte sein
Mördergebiß. Die Stierzunge leuchtete rubinrot. »Ich bin der Lichtbringer!
Ich bin die Morgenröte! Ich bin der Sohn aus dem Schoße Auroras! Ich, Luzifer,
werde den neuen Tag anführen, und dieser Tag wird alle verbrennen. Was ich
habe, das behalte ich. Und was ich nicht bekommen kann, soll auch er nicht
bekommen! «
    »Und von so einem Stinkbock habe ich mir mal ein Autogramm
geben lassen«, brummte Efendi trotz seiner mißlichen Lage und verdrehte
genervt die goldenen Augen. Das Blau in den Augen des Stierkopfs indes wurde um
einige Tönungen dunkler. Luzifer riß das gräßliche Maul auf und hackte mit
einem einzigen Biß Efendi den Kopf ab. Dann streckte er uns den
immer noch zappelnden, blutüberströmten Restkörper demonstrativ entgegen und
schwenkte ihn wie eine Trophäe umher, um ihn schließlich gänzlich in seinem
Maul verschwinden zu lassen.
    Spätestens ab diesem Moment wußte ich, daß wir alle dem
Tode geweiht waren. Es gab kein Entkommen, es sei denn um den Preis unseres
Seelenheils. Doch war es das bißchen Leben wirklich wert, solch schwere Schuld
auf uns zu laden, uns gegen unseren Schöpfer zu stellen und uns zu
Erfüllungsgehilfen dieses Scheusals zu machen? Niemals! schrie mein
Innerstes, obwohl ich wußte, daß diese Verweigerung viele weitere Opfer kosten
würde.
    »Jetzt oder nie, Freunde!« rief ich der haarigen Meute
hinter mir zu. »Macht, daß ihr hinauskommt! Sie können uns nicht alle erwischen!«
    Augenblicklich brach Chaos aus. Die etwa hundert Brüder
und Schwestern sprangen los, als hätte man auf ihre Schwänze getreten, und
stoben in alle Himmelsrichtungen davon. Einige eilten direkt zum Ausgang oder
zu den Fenstern mit den zerbrochenen Scheiben, andere die geschwungenen Treppen
hoch, welche zu der Galerie nach oben führten. Luzifer und die Cherubim waren
zum ersten Mal perplex. Mit unserem Widerstandswillen hatten sie nicht
gerechnet. Die Dämonen tauschten fragende Blicke mit ihrem Herrscher aus. An
dessen wutverzerrter Mimik konnte man ablesen, daß ihm diese Konfusion
überhaupt nicht in den Kram paßte. Vermutlich hatte er geglaubt, daß er uns
genug Angst eingejagt hatte.
    Ich sah zu, daß ich selber wegkam. Genau zwischen den
Pferdefüßen des Leibhaftigen huschte ich hindurch und rettete mich durch die
offene Tür nach draußen. Der Tag brach über dem verwucherten Gelände an. Die
Sonne war noch nicht zu sehen, doch die Morgenröte tauchte das Firmament schon
in ein sehr intensives Blutorange. Selbst das Grün der Flora schien zu brennen.
Ich riskierte einen Blick zurück und sah, wie meine Artgenossen fluchtartig die
Villa verließen. Viele hatten über die Galerie die oberen Räumlichkeiten
erreicht und sprangen nun durch die Fenster zunächst auf das Vordach, um von
dort aus direkt in die Wildnis zu hechten. Die Mehrzahl jedoch nahm den
Hauptausgang. Nur die wenigsten versuchten es durch Bruchstellen an der
halbzertrümmerten Holzverkleidung. Das Ganze sah aus, als schwärme eine pelzige
Armee aus zur letzten Schlacht.
    Soweit, so gut. Allerdings war es viel zu schön, um wahr
zu sein. Ein Gebrüll erklang aus dem Innern des Gebäudes, das den Erdboden zum
Erzittern brachte. Da wurde wohl jemand gerade von einem mächtigen Wutkoller
heimgesucht. Gleich darauf kamen die Cherubim aus der Villa herausgeschossen
wie Kreaturen aus einem Alptraumzoo. Sie nahmen die Verfolgung mit einem lauten
Gekreische auf, das sich wie ein Chor von Gefolterten anhörte. Ihre
Fortbewegungsart war ulkig und furchteinflößend zugleich. Eine Mischung aus
Känguruh-Hüpfen und den Anstrengungen einer fluguntauglichen Vogelart, die sich
nicht mehr als zwei, drei Meter in die Lüfte schwingen konnte. Aus der Ferne
vermittelte dieses Nicht-richtig-laufen-und-nicht-richtig-fliegen-Können einen ineffizienten
Eindruck, doch es war erstaunlich, wie schnell die Mißgeburten so vorwärts
kamen. Jedenfalls schienen sie schneller zu sein als die Flüchtenden, die sich
mittlerweile überall auf dem Gelände zerstreut hatten.
    Die Morgenröte färbte nun das Cherubim-Gesindel ein. Ihre
buckeligen Leiber, die Wasserköpfe mit den überbreiten Mäulern und
Stilett-Stümpfen darin,

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