Felidae
ß , rammte die Krallen aller vier Pfoten in seinen Pelz und schleuderte ihn ebenfalls auf die Glasplatte. Den anderen blindlings an Nase, Augen und an den Weichteilen kratzend, überschlugen wir uns auf dem Tisch mehrmals und fielen schließlich, verbissen ineinandergehakt, auf den Fußboden. Das Seltsame bei all dem war, da ß ich fast keine Schmerzen spürte. Doch ich wu ß te, da ß sie sich später noch einstellen würden.
Auf dem Teppichboden, der zum größten Teil schon in lodernden Flammen stand, kämpften wir mit jener unnachgiebigen Intensität weiter, die von einem Besitz ergreift, wenn man zu ahnen beginnt, da ß nur einer überleben wird. Wir hackten mit unseren Krallen aufeinander ein, als spielten wir mit einer Maus, bissen und rissen an unseren Leibern, als traktierten wir ein totes Kaninchen, und unser beider Blut spritzte in die Höhe und vereinigte sich in der Luft, als sei Professor Julius Preterius wieder von den Toten auferstanden und veranstaltete eines seiner grausamsten Experimente mit uns.
Doch allmählich wurden wir müde. Die Schwinger wurden immer schlaffer und willkürlicher, das Beißen war nur noch ein Zerren und das Ringen und Reißen automatische Umschlingungen, die uns vielleicht beide in den Tod führen würden. Als Pascal für einen Moment die Puste ausging, und er sich plötzlich schwer auf mich stützte, nutzte ich mit letzter Kraftanstrengung die Gelegenheit und zog ihm mit den Krallen der rechten Pfote eine blutige Spur diagonal übers Gesicht. Er schrie gellend auf und ließ sich nach hinten fallen. Ich wich rasch etwa anderthalb Meter zurück, hockte mich auf die Hinterbeine und haschte mit der Zunge nach den vielen Wunden an meinem Körper. Ich glaube nicht, da ß ich sie wirklich leckte, dazu fehlte mir einfach die Kraft und die Geistesgegenwart, es war eher ein Reflex.
Pascal dagegen tat überhaupt nichts. Er saß nur aufrecht auf seinem Hintern und starrte mich durch milchige Augen wie eine Wachspuppe an, als stünde er unter Drogen. Sein schwarzes Fell war mittlerweile von Blut getränkt, welches unheimlich schnell aus seinen Wunden herab und auf den Teppichboden flo ß .
Alle Bücher, von denen Claudandus so viel über Menschen und Tiere gelernt hatte, brannten jetzt lichterloh. Das Feuer ließ eine Hitze entstehen, in der das Atmen kaum mehr möglich war. Wir würden in wenigen Sekunden ersticken und dann verbrennen. Und das alles hatten wir letztendlich den Menschen zu verdanken. Denn nicht Pascal, nicht Claudandus, nicht wir hatten zuerst mit dem Morden angefangen. Sie, die Unreinen waren die Ursache für alles Böse auf der Welt, die Ursache dafür, da ß es so weit kommen konnte.
Plötzlich sprang er!
Es war der Sprung eines Selbstmörders. Ein Sprung, bei dem es gleichgültig war, wo und wie man landen würde. Ein Sprung, der mit den allerletzten Kraftreserven ausgeführt wurde, so da ß der Springer damit rechnen mu ß te, da ß er nach diesem Akt nicht einmal mehr die Kraft aufbringen können würde, auch nur mit der Wimper zu zucken. Es war ein gewaltiger Sprung, so schnell wie ein Pfeil und mit der Wucht eines herabfallenden Meteors.
Als er so kreischend auf mich zuscho ß , warf ich mich automatisch auf den Rücken, ri ß die rechte Pfote empor und ließ eine einzige Kralle hervorblitzen. Und als Pascal pfeifend über mich hinwegschwebte, säbelte meine Kralle einen sauberen Schnitt in seine Gurgel, so tief, da ß ich seine Stimmbänder zu berühren glaubte. Er prallte auf der anderen Seite hart auf, überschlug sich einmal und blieb dann stumm liegen.
Ich rannte zu ihm und drehte seinen Kopf zu mir herum. Er blutete furchtbar, und ich sah, da ß der Schnitt größer war, als ich angenommen hatte. Ich konnte beinahe in seine Speiseröhre hineinblicken. Trotzdem schien ein schelmisches Lächeln über sein Gesicht zu fliegen. Er öffnete unendlich langsam und unter Schwierigkeiten die Augen und blickte mich unverwandt an. Kein Zorn, kein Vorwurf und keine Furcht lag in diesen Augen, aber auch keine Reue.
»So viel Finsternis auf der Welt«, röchelte er. »So viel Finsternis, Francis. Kein Licht. Nur Finsternis. Und immer ist jemand da, der sich ihrer annimmt. Immer. Immer. Immer. Ich bin böse geworden, aber ich war auch einmal gut ... 13 «
Epilog
Das Haus brannte ab, wurde zu Asche. Und mit dem Haus verbrannte auch der leblose Körper desjenigen, dem die Menschen verschiedene Namen gegeben hatten, dessen wahrer Name jedoch ein Geheimnis
Weitere Kostenlose Bücher