Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
Wohnzimmer hörte ich Stimmen. Es war eine Frauenstimme dabei, doch Gott sei's gedankt, nicht die von Francesca. Ich lauschte ein paar Minuten und verstand langsam den Sachverhalt. Die Stimme der Frau, die sich angeregt mit Gustav unterhielt, gehörte Diana. Sie beschrieb ihm das Auswilderungsprogramm und dessen tragische Folgen, die auch ihren eigenen Liebling Ambrosius nicht verschont hätten. Bedauernd teilte sie ihm mit, daß sie mich in ihrem finalen Abschußeifer in der nächtlichen Dunkelheit für einen der Wilden gehalten habe, zumal die Satellitenbilder einen Auszug der Brut aus den heimischen Wäldern signalisiert hätten. Aber als sie dann ihr angeschossenes Opfer aus nächster Nähe gesehen habe, wäre in ihr wieder die ehemalige Tierärztin erwacht. Unverzüglich hätte sie mich zum Waldhaus gebracht, dort in einer Notoperation zusammengeflickt und dabei auch zufällig die tätowierte Nummer an meinem Hintern entdeckt. Diese habe sie dann zu Gustavs Adresse geführt.
Gustav bedankte sich frenetisch, wobei er in regelmäßigen Abständen von Weinkrämpfen der Freude geschüttelt wurde. Natürlich waren diese Qualen verglichen mit dem, was ihm noch bevorstand, lediglich unbedeutende Piekser. Trotz meines betäubten Zustandes arbeitete meine Phantasie auf Hochtouren und entwarf unterschiedliche Gedankenmodelle der Vergeltung. Ich überlegte, wie lange ich die Dauer der Rekonvaleszenz hinausschieben konnte. Vielleicht zwei Monate? Vier Monate? Oder gar ein ganzes Jahr? Oh, wie ich ihn meine Abscheu spüren lassen und seine Schuldgefühle provozieren würde! Welch hohe Ansprüche würde ich stellen, und wie gnadenlos geschmäcklerisch würde ich sein. Sahne müßte er mir schlagen, und zwar jeden Tag, und frische Langusten direkt vom Fischmarkt besorgen, leicht angebraten, versteht sich. Das Leitungswasser, das er mir in den Wassernapf zu schütten pflegte, konnte er meinetwegen selber saufen, ich würde kompromißlos auf exklusivem Perrier bestehen. Und jeden Abend würde ich ein Schälchen Vanilleeis verlangen, aber nicht irgend so eine versiffte Sorte, sondern ausschließlich Möwenpick. Käme er meinen berechtigten Wünschen nicht nach, würde ich ihm mit einer beiläufigen Bewegung meine Narben entgegenstrecken und ihm vorwurfsvoll tief in die Augen schauen. Das würde funktionieren, so wahr ich die ewigen Jagdgründe erblickt hatte!
Gewiß ist die Frage berechtigt, weshalb ich mich so enthusiastisch in derlei Rachephantasien erging, obwohl ich in der gegenwärtigen Situation davon ausgehen mußte, daß Francescas Nüsse-Projekt weiterhin über meinem Haupt schwebte wie ein Damoklesschwert. Die Erklärung ist sehr einfach. Meine unfehlbaren Instinkte ließen mich ahnen, daß das Problem sich in meiner Abwesenheit ganz von selbst erledigt hatte. Natürlich kannte ich zu diesem Zeitpunkt die näheren Umstände nicht. Doch Gustavs waschweibhaftes Mitteilungsbedürfnis gegenüber Besuchern, die sich in den folgenden Wochen nach den Genesungsfortschritten des Verwundeten erkundigten, setzten auch mich detailliert ins Bild. Die Tragödie hatte in der Nacht meiner Flucht stattgefunden. Vom brüllenden Sturm aus dem Schlaf gerissen, hatte mein Lebensgefährte sich in jener Nacht große Sorgen gemacht, als er mich nirgendwo in der Wohnung finden konnte. Das offene Klofenster ließ ihn Schlimmes befürchten, so daß er auf einen abgedroschenen Trick verfiel. Um mich wieder in die Wohnung zu locken, öffnete er geräuschvoll eine frische Dose Futter und verschüttete dabei versehentlich die Hälfte der Kostbarkeit auf den Boden. Dann ging er wieder ins Bett, wobei er jedoch Francesca aufweckte. Verärgert über die ruinierte Nachtruhe, war sie es nun, die nicht mehr einschlafen konnte. Um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, ging sie in die Toilette und trat, wie es der Zufall wollte, in der Dunkelheit auf die verschüttete Futterspur. Sie rutschte darauf aus, stürzte zu Boden und knallte mit dem Hinterkopf auf den Rand des Klosettbeckens. Die gute Frau war auf der Stelle tot.
Tragisch, tragisch, doch die meisten Unfälle passieren nun einmal im Haushalt. Hierin die Strafe einer höheren Macht für ihre Boshaftigkeiten gegenüber einer bestimmten Spezies zu sehen, ist, meiner Meinung nach, blanker Unsinn, obgleich ich gestehen muß, daß die Hypothese einer Fügung nicht völlig von der Hand zu weisen ist. Fernerhin muß ich gestehen, daß ich nicht gerade in Tränen aufgelöst war, als ich von dem
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