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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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ich folgerte, daß sie wie ich mit Fell ausgestattet sein mußten. Doch ungewöhnlich für Säuger meiner Kategorie, hatten sie die Eigenart, daß ihre Augen im Dunkeln nicht aufleuchteten. Dieser Effekt beruht bei meinesgleichen auf der Reflexschicht in den Augen, einer spiegelartigen Struktur, die über den größten Teil der Retina ausgebreitet ist. Sie ist auch bei den meisten anderen Nachttieren vorhanden und reflektiert das Licht, das nicht beim ersten Eindringen in das Auge von der Retina absorbiert wird. Hierdurch bekommt die Retina einen zusätzlichen Lichtreiz, der die Empfindlichkeit des Sehvermögens in der Dämmerung erhöht. Selbstverständlich war die Helligkeit hier drin gering, so daß diese Wirkung nicht zwingend zur Geltung kommen mußte, aber ich hätte wetten können, daß meine eigenen Glubscher momentan strahlten wie elektrische Haltesignale an einem Bahnübergang. An der Hypothese von den bestienhaft mutierten ALFs schien vielleicht doch etwas dran zu sein.
    Das Wunder geschah! In zirka zwanzig Meter Entfernung erspähte ich tatsächlich den Strahl einer Lichtquelle, der am unteren Rand rechts von der Mauer herausschoß und in einer diagonalen Linie wie eine blendende Lanze geradewegs den Abwasserkanal traf. Vermutlich handelte es sich dabei tun die Mündung eines Nebenrohrs, das schräg von der Straße abfiel und Regenwasser auffangen sollte. Da in der Zwischenzeit draußen längst der Morgen angebrochen sein mußte, drang durch das Rohr jetzt Licht in die Kanalisation. Mit ein bißchen Glück konnte ich mich vielleicht durch diesen Schlauch in die Tageswelt emporrobben und so meinen Verfolgern entkommen. Wie ein Tausendmeterläufer im Endspurt legte ich in ungezügelter Euphorie den Turbogang ein und preschte los, was die müden Gelenke hergaben. Die grelle Lichtlanze, die an Leuchtkraft von Sekunde zu Sekunde zunahm und den trüben Wassergraben in zwei Teile zu schneiden schien, rückte unfaßbar schnell näher, und von dem mich verfolgenden Gesindel war erfreulicherweise bald nichts mehr zu hören. Noch zehn Meter, noch fünf Meter, noch zwei Meter; das illuminierende Loch an der Wand erschien mir immer mehr wie eine magische Pforte, hinter welcher der nackte Wahnsinn aufhören und solche zu Unrecht geschmähten Dinge wie Fernsehsucht, Sonntagsdepression, morgendliche Verstopfung, kurz die Normalität des Alltags beginnen würden. Endlich erreichte ich den ersehnten Durchlaß in die Freiheit und machte Anstalten, eine scharfe Rechtskurve einzuschlagen. Nun konnten die Monster sich in bitterer Frustration üben oder sich von mir aus gegenseitig auffressen ...
    Der Koloß stürzte so abrupt aus der gleißenden Mauerluke hervor wie ein gigantischer Tanker aus der Nebelbank kurz vor einer Kollision. Während ich Hals über Kopf eine Vollbremsung versuchte, dachte ich noch, daß ich einem verdammten Hund in die Arme gelaufen wäre, allerdings einem stark verwahrlosten, der sich in der Phase der Verwahrlosung in ein Ungetüm verwandelt hatte. Etwa einen Meter vor seiner imposanten Erscheinung stolperte ich, verlor das Gleichgewicht, stürzte zu Boden, überschlug mich einmal der Länge nach und landete schließlich vor seinen prankenartigen Zottelpfoten. Darauf gefaßt, daß er sich bereits zu mir heruntergebeugt hatte und nun im Begriff war, mir die Birne zu tranchieren, öffnete ich aus reinem Masochismus die Augenlider einen Spalt und blickte ihm unmittelbar ins Gesicht. Vom Boden aus gesehen wirkte er tausendmal gefährlicher und freakiger als aus der Bauchperspektive, was übrigens wortwörtlich zu verstehen ist, da ich ihm selbst stehend nur bis zum Bauch reichte. Trotz seiner monströsen Größe sah ich sofort, daß er keineswegs ein Hund, sondern ein Kartäuser ( 5 ) war. Der Kerl nannte dieses spezielle, beneidenswert dichte, blaurauchfarbene Kurzhaarfell sein eigen, das jedoch vollkommen von Kloakenschlamm durchdrungen war, so daß die flaumweiche Struktur kaum mehr zur Geltung kam. Zwar zeichnete sich die bodenständige Art ebenfalls durch eine gesunde Kompaktheit aus, die von Laien fälschlicherweise oft als dick interpretiert wird, aber bei diesem Burschen waren Muskel- und überbordendes Fettgewebe eine solch glückliche Ehe eingegangen, daß man nur darüber rätseln konnte, ob man einem schlappen Schmerbauch oder einem vor Spannkraft und Elastizität strotzenden Kraftprotz gegenüberstand. Jedenfalls war er unglaublich groß, ja geradezu gewaltig, vor allen Dingen absolut

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