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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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hinten und schmiß mich zu Boden. Ich versuchte wieder irgendwie Halt zu bekommen, aber die Wucht des wilden Wassers krümmte meinen Leib fix zu einer kreisförmigen Haltung und trieb mich wie einen losgelösten Autoreifen in einem Affentempo vor sich her. Jetzt war der Vergleich mit den bevorzugt in Waschmaschinentrommeln pennenden Artgenossen perfekt, sah ich mich doch außerstande, in dieser mißlichen Lage irgend etwas anderes zu tun, als Wasser zu schlucken, hilflos mit allen Vieren zu zappeln und zu hoffen, daß die Welle bald über ihr Opfer hinwegrollen und es sozusagen als Treibgut zurücklassen würde.
    Obwohl ich mich bei den vielen zirkusreifen Salti mortali im Bauch der Welle auf nichts anderes als auf das pure Überleben konzentrieren konnte, sah ich aus den Augenwinkeln, wie gefährlich nah ich inzwischen auf den deckellosen Einlaufschacht zugetrieben worden war. Letzterer hielt für mich noch eine besonders pikante Überraschung parat. Hatte er nämlich eben noch seinen bräunlich matschigen Mageninhalt in Form eines flüssigen Atompilzes auf die Kreuzung erbrochen, so imitierte er jetzt einen Strudel auf stürmischer See und saugte mit irrsinniger Sauflust alles ringsum befindliche Wasser in sich hinein. Nicht, daß ich ein besonders ängstlicher Typ wäre. Aber der Grund, weshalb meine Blase bei diesem Anblick eine Spontanentleerung erfuhr und damit die um mich schäumende Brühe bereicherte, hing einfach damit zusammen, daß ich mir mein Ende nicht einmal im Traum als Ersoffener in den Stinkstrudeln der Kanalisation vorgestellt hatte. Ich dachte immer, ich würde als Greis auf einem Samtkissen an einem handgroßen Stück Leber ersticken oder mir während der Vereinigung mit der Nachbarssiamesin vor schrillen Lustschreien den Adamsapfel brechen. Das alles im strahlenden Sonnenschein und untermalt von Mahlers »Kindertotenliedern«, versteht sich. Doch warum so defätistisch? Es mußte ja nicht so schlimm kommen. Die Hochwasserflut mußte mich ja nicht unbedingt bei so einer ausgedehnten Kreuzung ausgerechnet in dieses kleine Loch da hineinspülen. Nein, mußte sie ja nicht ...
    Nach der, wie mir schien, dreihundertelften Rolle vorwärts sah ich die Schleusenöffnung in ihrer ganzen Herrlichkeit direkt vor mir auftauchen wie eine gruselige Prophezeiung, die wahr geworden ist. Der ungeheure Sog aus ihrem Innern verursachte am Abfluß einen gemächlich kreisenden, gleichwohl unbeirrbar alles Wasser und Unrat in ihren Bann ziehenden Spiralwirbel, der das glühende Auge des Zyklopen leibhaftig zu sein schien. Gern hätte ich noch ein letztes Gebet an meinen Erschaffer gerichtet, der aus einem kuriosen Grund offenbar entschieden hatte, daß ich durch die Einnahme menschlicher Ausscheidungen in eine bessere Welt wechseln sollte. Doch bevor es dazu kommen konnte, schmetterte mich die Welle an den Rand des Strudels. Dieser demonstrierte seine Kraft prompt und zog mich mit aller Gewalt in seine Umlaufbahn. Ich schrie, schlug mit den Pfoten um mich und probierte ein paar lächerliche Schwimmbewegungen, um dieser höllischen Anziehungskraft zu entrinnen. Aber alle Mühe war umsonst. Ich wurde in dem wirbelnden Wasser wie eine Ameise am Abflußloch einige Male im Kreis geschleudert und schließlich endgültig in den Orkus gezogen.
    Im Rückblick sehe ich meinen unfreiwilligen Wasserspaß wie durch eine schmutzige, verkratzte Folie vor mir. Ich weiß noch, wie ich das unvorstellbar große Bedürfnis nach Sauerstoff verspürte und das Maul weit aufriß, sobald ich in den abwärts schießenden Strom hineingeriet. Das war so ziemlich das Dämlichste, was ich tun konnte, denn sofort wurde das bißchen Luft in meinen Atmungsorganen gegen Wasser ausgetauscht. Noch mehr als der körperliche K. o. machte mir das Gefühl zu schaffen, daß ich sehr nahe daran war, vor Hilflosigkeit und Verzweiflung endgültig in die geistige Umnachtung abzudriften. Obendrein schlug ich, der lebendige Torpedo, mit dem Körper immer wieder gegen die Eisensprossen des Schachtes, die in die zylindrische Schale einbetoniert waren. Doch obgleich ich kurz davor stand, das Bewußtsein zu verlieren, und in der Röhre tiefste Finsternis herrschte, konnte ich dank meines hochempfindlichen Sehvermögens erkennen, wie zunächst eine Serie von tennisballgroßen Luftblasen an mir vorbeisprudelte und anschließend unten so etwas wie eine durch die Geschlinge der Kanalisation verlaufende Stange aufschimmerte. Dann endete der Fall auch schon, und in dem

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