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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Augen der Ratte stierten mich von der Seite vorwurfsvoll an, als nehme sie es mir übel, daß ich mich in so einer miesen Gesellschaft aufhielt.
    »Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen«, sagte Niger mit einem unterdrückten Schluchzer und entledigte sich ihrer Tränen, indem sie kräftig den Kopf schüttelte.
    »Inmitten dieser Not wuchs Hugo auf. Er gehörte dem Geschlecht der Tiffany an: seidig zobelbraunes, sehr langes und hoffnungslos zerzaustes Fell; Augen, die wie aus hochkarätigem Gold gegossen zu sein schienen, buschiger Schwanz, muskulöser Körperbau, runder Kopf. Er war in einem erbarmungswürdigen Zustand, als er in die Kanalisation gespült wurde. Das änderte sich schnell, denn sehr bald merkten wir, daß es sich bei ihm nicht nur um den schönsten Jungen, den wir je aufgezogen hatten, handelte, sondern auch um den einzigen von uns, der merkwürdigerweise nicht erblindete. Doch es zeigte sich schon früh, daß er unter starken Verhaltensstörungen litt. Bereits die kindlichen Spielereien arteten bei ihm rasch zu rüden Tätlichkeiten aus, von denen seine verdutzten Kameraden erhebliche Verletzungen davontrugen. Als er älter wurde, legte er sich mit jedem an, sogar mit seiner Ziehmutter, und verletzte sie ebenfalls schwer. Zugleich zog er sich von uns immer mehr zurück, wurde zu einem Eigenbrötler und tauchte nur noch auf, um einen rabiaten Streit vom Zaun zu brechen. Irgendwann brach er das Tabu und tötete während einer Rauferei einen der Unsrigen. Für diesen Frevel stießen wir ihn aus der Gemeinschaft aus und nannten ihn fortan nur noch den verrückten Hugo. Wie das grausame Phantom umgab ihn nun ebenso die Aura eines Gespenstes, das zwar selten in Erscheinung trat, dessen wachsame Augen uns jedoch stets heimlich beobachteten. Ab einem gewissen Zeitpunkt allerdings begannen wir den verrückten Hugo zu vergessen, da wir zu sehr mit unseren eigenen Sorgen beschäftigt waren. Ja, der Ausgestoßene avancierte hinter vorgehaltener Pfote sogar zu einer sagenumwobenen Gestalt, von der man sich die wunderlichsten Geschichten zu erzählen wußte.
    Eines Tages - unser Volk war bereits infolge der Terroranschläge des Monsters deutlich dezimiert - gerieten wir bei einem Jagdausflug in einen Kanalabschnitt, der uns bis dahin verborgen geblieben war. Als wir in das Gebiet immer tiefer und tiefer eindrangen und plötzlich vor einer Mauer standen, erkannten wir zu spät, daß es sich hierbei um eine Sackgasse handelte. Doch da saßen wir schon längst in der Falle. Denn im gleichen Moment erklangen die widerlichen Schlurfgeräusche des Phantoms, das uns offenbar den ganzen Weg bis hierhin gefolgt war. Nun bezog es hinter unseren Rücken Stellung und versperrte den einzigen Fluchtweg. Wir waren ihm alle ausgeliefert. Es stand einfach da und wartete geduldig darauf; mit seinen mörderischen Hauern unser Fleisch und unsere Knochen in eine blutige Paste zu verwandeln. Und nach den Beschreibungen der noch sehenden Jugendlichen konnten wir nun endlich das Geheimnis seiner Identität enthüllen.«
    »Es war ein verrückter Mensch, stimmt's?« klugscheißerte ich.
    Safran ließ die stinkende Ratte aus dem Maul fallen und kickte sie mit einem kräftigen Stoß rechterpfote in eine Luke, welche aus einem herausgebrochenen Mauerstein bestand.
    »Irrtum. Es war ein Hund!« sagte er, hob unvermittelt den Kopf und schnupperte intensiv, als habe er eine neue Fährte aufgenommen. Ich war derart in Nigers Erzählung vertieft gewesen, daß ich erst jetzt den gleißenden, an die blendend helle Landung eines UFOs erinnernden Megastrahl bemerkte, der in weiter Ferne aus der aufgerissenen Gemäuerdecke brach. Ich taumelte von einer Überraschung zur nächsten. Die Meute vor uns sprintete los und begab sich zu der scheinbar alles erlösenden Helligkeit, während wir unseren gemächlichen Gang beibehielten.
    »Ja, es war ein verdammter Hund, eine riesenhafte, schwarze Dogge«, fuhr Niger fort. »Unter normalen Umständen - was immer die auch sein mögen - hätte uns Mitleid beschleichen sollen, weil sie erwiesenermaßen wie wir eine ausgestoßene Kreatur war, die nur danach trachtete, ihren Hunger zu stillen. Und genau wie wir zog sie offensichtlich dieses karge Leben der Gesellschaft von Menschen vor, die für sie sowieso nur die Rolle des ewigen Knechts vorgesehen hatten. Aber Solidarität war in dieser Situation, wie gesagt, sicher die falscheste Regung, die sich denken läßt. Dieser Hund war unser Feind, das Monster, und

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