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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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schoß diese Episode zweifellos den Vogel ab.
    Ohne dem Vorfall weitere Aufmerksamkeit zu schenken, setzte Niger ihren Marsch fort, was ich als Aufforderung verstand, ihr zu folgen. So überließ ich den braven Fischer seiner Passion und heftete mich an die Fersen meiner Begleiterin. Natürlich konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, noch einige Male über die Schulter zurückzuschauen, um die absonderlichen Jagdaktivitäten weiter zu verfolgen. Doch außer einem chaotischen Geplansche, währenddessen entweder der Jäger das Wild oder das Wild den Jäger unter Wasser zu ziehen versuchte, konnte ich nicht viel erkennen.
    »Es gab einmal eine Zeit, Francis, da herrschte das Böse in der Unterwelt.« Niger schloß jetzt ihre Augenlider und streckte den Hals teleskopartig ganz nach vorne, als dringe sie damit durch eine imaginäre Wand in vergangene Gefilde ein. Vor ihrem geistigen Auge schien das Unsägliche wieder zum Leben aufzuerstehen.
    »Wir wußten nicht, was es war, aber wir wußten, daß es da war. Jedenfalls schien es wie wir ein Geschöpf der Dunkelheit zu sein, und es konnte jederzeit hinter jeder Ecke unvermittelt hervorpreschen. Und wenn es mit der Plötzlichkeit eines Springteufels erschien, so griff es sich einen der Unsrigen und zerhackte ihn im Bruchteil einer Sekunde zu einem blutigen Fleischfetzen. Gewöhnlich gerieten wir dann in Panik und flohen kopflos. Und wenn ein Mutiger dem Opfer zu Hilfe eilte, wurde er im Handumdrehen ebenso zu Hackepeter verarbeitet, so daß von seinem Mut später bloß ein paar seiner abgerissenen, vom Phantom verschmähten Gliedmaßen zeugten. Es war vollkommen unberechenbar und ein Ausbund an Bestialität, und es, entwickelte sich zusehends zu einer fürchterlichen Heimsuchung, die uns alle auszurotten drohte. Wir schlichen zähneklappernd die Mauern entlang, vernachlässigten notgedrungen die Jagd, weil wir uns keine Ablenkung von der Bedrohung leisten konnten, und sahen allmählich den Tag heraufziehen, an dem es uns nicht mehr geben würde. Das Phantom indessen spulte sein Vernichtungsprogramm mit der Unbeirrbarkeit einer feingeeichten Kreissäge ab und vertraute stets auf seine heimtückischen Überraschungsattacken. Mal lag es in einem geheimen Loch oberhalb des Gemäuers auf der Lauer, sprang dann jäh auf eine unten vorbeiziehende Gruppe von Brüdern und Schwestern und richtete unter ihnen ein unbeschreibliches Massaker an. Ein andermal schoß es wie ein außer Kontrolle geratener Mähdrescher durch ein Nebenrohr heraus und vertilgte einen der Unsrigen mit nur zwei, drei Bissen. Immer hörten wir dann die entsetzlichen Schreie; sie klangen wie das obszöne Gebrüll von Wahnsinnigen, die außerstande sind, den unfaßbaren Schauder ihrer lichtlosen Einbildungswelt in Worte zu fassen. Und wir hörten das Hallen grauenerregender Geräusche: das zischende Eindringen von Reißzähnen in lebendiges Fleisch, das trockene Knacken von Knochen und das Schmatzen, das vulgäre, irgendwie alles verhöhnende Schmatzen.«
    Niger hielt inne, und mit einem Seitenblick gewahrte ich, daß sich in ihren erloschenen Augen, die nichtsdestoweniger anmutig wie von Dunstwolken umlagerte Fjorde aussahen, Tränen gesammelt hatten. Der Schrecken schien sich in ihr Erinnerungsvermögen unauslöschlich eingeätzt zu haben, und wie bei den meisten Zeugen gewaltsamer Ereignisse wiederholte sich die Hölle dort unablässig. Ich wollte ein paar tröstende Worte sprechen, doch hielt ich dies gleich im nächsten Moment für plump und überflüssig. Ich konnte niemandem Trost zusprechen, dessen Leid ich nicht geteilt hatte.
    Unversehens stieß von hinten Safran in unsere Mitte. Er war patschnaß und hielt in seinem Maul die fetteste und häßlichste Ratte, die ich je gesehen hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich bis dahin die Bekanntschaft nur weniger dieser unsympathischen Zeitgenossen gemacht, schon gar nicht solcher, die nischenbedingt um das Doppelte ihres Körpervolumens aufgequollen waren. Denn der Bursche, den Safran zwischen seinen Zähnen wie ein apportierender Jagdhund schleppte, entsprach von seiner Stattlichkeit her eher einem wohlbeleibten Kaninchen. Der Jäger indes trug die an der Genickgegend von mehreren tiefen Bissen verunstaltete Trophäe so selbstverständlich, als habe er sie soeben im Supermarkt an der Fleischtheke erstanden.
    »Hah ihm dah mih deh vehückheh Huho ehählh?« lallte er, weil ihm die Beute im Maul keine präzisere Artikulation ermöglichte. Die offenen, toten

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