Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
mittlerweile den ersten Preis für das aufdringlichste Rinnsal auf Gottes Erden hätte bekommen müssen. Bevor wir holterdipolter ins Wasser stürzten, bemerkte ich nebenbei, daß wir uns zu allem Überfluß auch noch die breiteste und reißendste Stelle ausgesucht hatten. Sobald wir mit Müh und Not wieder an die Wasseroberfläche kamen, riß uns die Drift mit Brachialgewalt weg. Teils kreischend, teils unfreiwillig die Wasserqualität testend, sah ich mein Opfer in der Ferne, wie es panisch mit den Pfoten strampelte. Und ganz unritterlich plärrte es ebenfalls um Hilfe. Allerdings blieb seine wahre Gestalt weiterhin ein Geheimnis, weil es von den Strudeln immer wieder überwältigt wurde.
Das Morgenrot hatte inzwischen seine zarten Kupfer- und Goldschleier über die ganze Landschaft ausgeworfen, aber leider war mir der Sinn für derlei Ästhetik einstweilen abhanden gekommen. Während also die Sonne in voller Pracht aufging, setzten Hugo und ich unseren Bootsausflug ohne Boot fort, unablässig gegen das Ersaufen ankämpfend. Mal war er unter Wasser, mal ich, mal jammerten wir gemeinsam nach einem staatlich geprüften Rettungsschwimmer, mal einzeln nach Jacques Cousteau. Das Groteske dabei war, daß uns während der Havarie ein Schwarm höchst wißbegieriger rotblauer Fische begleitete. Wir beide müssen ein erbärmliches Bild geboten haben.
Schließlich wurde die Strömung immer ruhiger und das Wasser seichter. Mein schlaffer, nunmehr einem Algenzopf nicht unähnlicher Körper blieb an einer Erhebung am Grund hängen und wurde sanft von den kraftlosen Wellen umspült. Halb bewußtlos öffnete ich den Mund und gab dem Bach zurück, was des Baches war. Schlammbeschmutzt und patschnaß wie ein Mop stellte ich mich dann auf die wackeligen Beine und schaute mich nach meinem Unfallgefährten um. Doch da war nichts zu sehen. Vielleicht hatte er es nicht überlebt und war ins nasse Grab getappt. Ein, kleiner Schritt für ihn, aber ein großer für die Felidae. Arme, irre Dogge, jetzt mußte sie die Gemetzel wohl als Single bestreiten.
Plötzlich vernahm ich das Geräusch aufspritzenden Wassers. Ich drehte mich ruckartig herum und sah hinter einem ins Wasser gestürzten Astwerk zwei Spitzohren emporfahren. Aber Wunder über Wunder, sie trugen die Farbe Rosa. Ein reichlich abwegiges Kolorit für einen Schwarzen Ritter. Die unterdessen kräftiger gewordenen Sonnenstrahlen beschienen den aus dem Wasser steigenden Kopf, so daß er gegen den dunkelgrünen Hintergrund wie ein schwebender Schneeball wirkte. Aber diesen im wahrsten Sinne des Wortes hellen Kopf kannte ich doch ...
»Ambrosius!« rief ich freudig. Gleichzeitig faßte ich den Vorsatz, daß ich - falls ich jemals zu Gustav zurückfinden sollte - ihm irgendwie begreiflich machen mußte, mich schleunigst zu einem Augenarzt zu bringen. Gewiß, wir mit unserem kümmerlichen Farbsinn sind nicht gerade die Erfinder von Technicolor. Doch ein Unterscheidungsvermögen zwischen Hell und Dunkel war sogar einem Maulwurf zuzumuten. ( 11 )
»So ein Mi-Mi-Mist! Das ist heute schon das zweite Mal, daß ich in diesem v-v-verfluchten Bach ein Bad nehmen muß«, empörte sich Ambrosius und kletterte beschwerlich auf die aus dem Wasser herausragenden Äste. Auch er hatte sich in einen Algenzopf verwandelt.
»Ich bin untröstlich, teurer Freund, aber ich hielt dich für den Schwarzen Ritter. Außerdem konnte ich nicht mehr stoppen, als ich dich im letzten Moment sah. Eine Verkettung unglücklicher Umstände, wie man so schön sagt. Aus welchem Grund hast du meinen Weg gekreuzt?«
Gemeinsam schüttelten wir uns kräftig und wateten an das von Gänseblümchen übersäte Ufergras. Da die Sonne ihren Brutofen bereits in diesen frühen Morgenstunden angelassen hatte, konnte es zumindest nicht allzu lange dauern, bis unser Fell getrocknet seien würde. Ambrosius ließ sich aufs Gras fallen und nieste.
»D-D-Dreimal darfst du raten. Du bist mit solcher Plötzlichkeit vom Dach ge-ge-geflogen, daß ich im ersten Moment dachte, eine Hand hätte dich heruntergeschubst. Dann aber ahnte ich dein selbstmörderisches Vorhaben. Ich mußte dich davon a-a-abbringen. Bloß wie? Im Wald fand ich weder dich noch den Schwarzen Mann. Gi-Gi-Ging anscheinend eine andere Richtung. So irrte ich eine Weile umher, bis ich dich mit einem Mal wie eine Fu-Fu-Furie auf mich zugaloppieren sah. Was ist vorgefallen?«
Ich erzählte ihm in kurzen Worten von der unglaublichen Inflation der Mörder und Monster im
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