Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
drängte ein Pulk von blutdürstigen Bastarden, die es kaum abwarten konnten, Dosenöffner Gustavs zeitaufwendiges Mästungsexperiment zu benoten. Und vorne machte sich die Schirmherrin der ganzen Veranstaltung zum Absprung bereit, um das erste und leckerste Stück zu ergattern. Also gut, dann wollte ich auch nicht der Spielverderber sein und ihnen allen den zauberhaften Frühlingsmorgen ruinieren. Ruckartig blieb ich stehen.
Die Monsterpranke hechtete mit einem Riesensatz auf mich zu, was mir ob des ästhetischen Schwungs den Atem nahm. Ich sah, wie sie im Flug alle Glieder von sich streckte und mit bis zum Äußersten ausgefahrenen Krallen eine Metamorphose zu einem Luftakrobaten durchmachte. Ich fügte mich in mein Schicksal. Ja, der Trost war unendlich groß, durch die Tranchierkünste dieses formvollendeten Scheusals in eine bessere Welt wechseln zu müssen. Es gab dem Ganzen so etwas wie Stil.
Aber überraschenderweise währte Monsterprankes Flug länger als erwartet. Ein anderer Landeplatz als Francis Airport war offenkundig vorgesehen. Das Ungetüm zischte nur einen Millimeter über meinen Kopf hinweg und krachte, nach den Schmerzensschreien zu urteilen, mitten in meine Verfolger. Ein gewaltiges Tohuwabohu entstand hinter meinem Rücken, und ich faßte mir ein Herz und linste zurück. Das Halbdunkel des Morgengrauens aber gab keine Geheimnisse preis, und außer emporfliegenden Grasbüscheln und mordlustigen Augenpaaren, die wie brennende Jongleurskegel hin- und herschwirrten, konnte ich nicht viel erkennen. Dafür aber um so mehr hören. Das donnernde Gebrüll von Monsterpranke, das zwischen Furcht und Haß schwankende Gekreische meiner zu kurz gekommenen Jäger und immer wieder das Zerren und Reißen und Knacken, das nur ahnen ließ, welch blutiges Schauspiel sich dort in der Finsternis abspielte.
Ich gab Vollgas und rannte los. Sollten sich doch die Waldmonster ruhig so lange bekriegen, bis sie ihr Unwesen nur noch als ausgestorbene Arten in aufrüttelnden Ökopamphleten treiben konnten. Was juckte es mich? Als nützlicher Nebeneffekt würde wenigstens die Mordserie ad acta gelegt. Trotz der Schadenfreude konnte ich es mir natürlich nicht verkneifen, während der Flucht den Kopf nach hinten zu drehen und die düstere Stelle im Auge zu behalten, an der die Schlacht noch tobte. Und ein paar Überlegungen mußte ich selbstverständlich auch anstellen. Weshalb hatten mich die Gespenster überhaupt verfolgt und mir solche Angst eingejagt? Hätten sie mich abmurksen wollen, wäre ihnen dies gleich am Anfang, als ich den Wald betrat, bestimmt leichter gefallen. Oder unterlag ich einem grandiosen Irrtum? War in Wirklichkeit doch Monsterpranke der wahre Mörder, dem ich durch Zufall nun zu einem neuen Massaker verholfen hatte? Aber warum hatte sie mich dann verschont, obgleich ich doch genau vor ihrer Nase gestanden hatte und daher als erster dran gewesen wäre? Und warum mußte Alraune daran glauben? Das paßte so gar nicht zu der Vorgehensweise des Täters, der Morde en gros bevorzugte. Existierte am Ende doch der Schwarze Ritter, eine degenerierte, aber durchtriebene Kreatur, die mit meinem Auftauchen im Walde einen ebenbürtigen Gegner gefunden zu haben glaubte?
Ich prallte mit ihm zusammen. Mit wem? Mit dem Schwarzen Ritter natürlich, mit wem sonst? Leider hatte die Betrachtung des Schlachtfeldes in Verbindung mit den Kombinationsversuchen meine ganze Konzentration gefordert, so daß ich vollkommen vergessen hatte, den Kopf wieder nach vorne zu richten und der Gefahr rechtzeitig auszuweichen. Ich wußte nicht, wie lange ich gelaufen war und wie weit ich mich inzwischen von den Streithähnen entfernt hatte. Doch just in dem Augenblick, als ich den Kopf wieder nach vorne riß, schaute ich geradewegs in die Augen der Geistererscheinung, die ich, ob Traum oder Wirklichkeit, auf dem Felsen gesehen zu haben glaubte. Ein zwischen diabolischer Suggestivkraft und kauzigem Amüsement pendelnder Blick, der mich so beharrlich fixierte, daß ich mich ihm schwerlich entziehen konnte. Für eine Vollbremsung war es zu spät, und so kollidierten wir mit einem dumpfen Aufschlag und gerieten aus dem Gleichgewicht. Ich stieß meinen Widersacher, der in der Hektik des Geschehens kaum mehr als ein wirbelnder Schatten war, um, aber anstatt auf die Erde zu fallen, passierte etwas weit Garstigeres.
Wie es der Zufall wollte, stand der Ritter von der traurigen Gestalt am Ufer des sattsam bekannten Baches, der meiner Meinung nach
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