Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
nicht einmal so etwas Elementares wie Sex oder Kinderliebe damit mithalten kann. Der Krieg bringt die Menschen außer sich, kehrt das Schwärzeste ihrer Herzen nach außen, macht sie besinnungslos, segnet ihren Haß. Ich habe Dinge gesehen - o Gott! O Gott! O Gott! ... Söhne, die mit einer Pistole im Nacken ihre eigenen Väter totprügeln mußten. Mütter, die die zerrissenen Leiber ihrer Kinder bergen mußten, um sie zu bestatten. Städte, Länder voll von Krüppeln, die der ewigwährende Kampf um nichts als ein Stück öde Wüste zu dem gemacht hatte, was sie sind. Junge Männer, die singend in die Schlacht marschierten, um ohne Unterkiefer heimzukehren. Ich habe das Böse gesehen, Freunde! Ich habe wie durch ein Röntgenauge durch unschuldige Menschen hindurchgesehen, sie waren transparent, und da sah ich es, das Böse. Es schlummerte in ihnen wie ein Parasit, wie ein stiller Schädling, der schläft und im Schlaf lacht. Die unschuldigen Menschen wußten nichts von ihrem Glück. Sie dachten, sie wären gut ...«
Er schickte ein kreischendes Lachen gegen den triefenden Nachthimmel.
»Aber Rettung naht, liebe Freunde. Endlich gibt es diese intelligenten Waffen, Bomben mit Universitätsabschluß sozusagen. Jetzt können die Rechtschaffenen einfach zu Hause bleiben und ihrem Tagewerk nachgehen, während die Computer stellvertretend für sie den Krieg erledigen. Wer weiß, vielleicht ist die Technik eines Tages sogar in der Lage, uns dieses unsagbare Leid als reine Vorstellung zu präsentieren und uns so daran krepieren zu lassen. Ich jedenfalls bin schon so weit...«
Zum ersten Mal stockte er, drehte den Kopf mit einem Ruck zur Seite, und obwohl über sein Gesicht und die Brille Regenschwälle liefen, wußte ich, daß sich nun auch Tränen in diese Feuchtigkeit gemischt hatten.
»Mein Versuch, von diesem elenden Thema wegzukommen, ist kläglich gescheitert, wie ihr wißt. Der Tapetenwechsel war ein Fehlschlag. Der Parasit, ihr versteht? Er ließ mir keine Ruhe. Mein Kopf, o mein armer, armer Kopf ist voll mit brennenden Leibern und amputierten Gliedern. Was soll ich sagen, ich kann ohne den Scheißkrieg nicht mehr leben! Ich bin das Kriegsmonster par excellence! Und wenn ich keinen Krieg habe, dann erschaffe ich mir eben einen. Und ihr müßt gestehen, daß ich das auch ganz gut hingekriegt habe, oder etwa nicht? Ihr Tiere seid auch nur Menschen und keineswegs resistent gegen den Parasiten - hey, ich weiß, was du sagen willst, Francis, ich weiß das ganz genau. Du bist der Meinung, daß das Experiment, euch in einen ethnischen Krieg zu hetzen, bis jetzt als mißlungen zu betrachten ist und daß der Spruch ›CAVE CANEM‹ in ›Cave hominem‹ abgewandelt werden müßte. Ich weiß, wie schlau du bist, Francis. Deshalb habe ich dich ja auch von Anfang an so gefordert. Doch was den nicht stattgefundenen Krieg betrifft, kann ich nur sagen: Was nicht ist, kann ja noch werden! ...«
»Schluß mit dem idiotischen Gefasel!« schnaubte Hektor und rannte zu der Wendeltreppe.
»Hektor, tu es nicht!« schrie ich ihm hinterher. Doch er fegte schon längst die kreisrunde Treppe hinauf wie ein von Lanzen traktierter Stier, der dem Matador zeigen will, wer der Herr in der Arena ist. Während er mit ohrenbetäubendem Gebell blitzartig eine Stufe nach der anderen nahm, senkte Mars, der etwas mehr als die Hälfte der Treppe bewältigt hatte, den Blick herab und beobachtete den Entgegenkommenden mit vollkommen ungerührtem Blick. Angst vor Kläffern, auch vor solch großkalibrigen, war ihm anscheinend fremd.
Als ihn nur noch drei Stufen von dem Unhold trennten, setzte Hektor zu dem wuchtigsten Sprung an, den sein verbrauchter Körper hergab. Es sah aus, als fiele ein Grizzly über einen Touristen her. Aber plötzlich machte Mars mit der rechten Hand eine scheinbar winzige Bewegung, so routiniert, als vollführe er einen Zaubertrick. Ich sah, wie die Jätekralle aufblitzte und in der Luft einen schwungvollen Halbkreis beschrieb. Und ich sah, wie Hektors aufgerissene Schnauze auf Mars' Gesicht zuflog wie eine hingeschleuderte Heckenschere. Aber dann sah ich (und wünschte im gleichen Moment, ich hätte es nie gesehen), wie die zwei Hakenzacken der Jätekralle sich in Hektors Kehle bohrten, und hörte das fürchterliche Jaulen, das dieser verwundeten Kehle entstieg.
Der Professor streckte den Arm ganz aus und schwang Hektor, der an der Kralle baumelte und entsetzliche Geräusche von sich gab, auf und ab, als schätze er sein
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