Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Maueroberflächen also wieder meinem edelmütigen Blaubart hinterher. Während ich dem bedächtigen Humpeln meines alten Freundes nachblickte, war ich trotz der innerlichen Aufgewühltheit über die bevorstehende Leichenbeschau in tiefe Gedanken versunken. Blaubart gegenüber hatte ich vorhin den weisen Vorurteilsfreien herausgekehrt, so getan, als wären mir die Kläffer so ans Herz gewachsen wie die Unsrigen, ja, hatte gar indirekt das Ideal von der Gleichheit aller Arten verfochten. Das war eine Lüge gewesen. In Wahrheit haßte ich die Kläffer! Ich haßte alles an ihnen.
Der Grund hierfür blieb mir selbst so diffus wie ein Fels im Nebel. War es ihr abstoßendes Bellen, das einem vor Schreck das Herz ein paar Takte aussetzen ließ, ihr widerlicher Geruch oder ihr würdeloses, kriecherisches Gebaren Menschen gegenüber, geradeso, als wären sie Sklaven, die für die Erhaltung der Sklaverei demonstrierten? Oder lag die wahre Ursache für die Antipathie im primitiven Rivalitätsdenken, weil wir genauso wie sie vor Urzeiten auf Gedeih und Verderb einen Bund mit dem Homo sapiens eingegangen waren und seither mit allen Mitteln um seine Gunst buhlten?
Die Caniden aus der Familie der Canidae schlossen mit der Krone der Schöpfung vor zirka vierzehntausend Jahren Freundschaft, wobei sie wohl vor allem wegen ihrer Alarmanlage-und-Jagd-Funktion sehr beliebt waren. Beschämenderweise verbindet uns mit ihnen ein und derselbe Urahn. Und nicht nur uns, sondern, merkwürdig genug, auch die Ursidae, im Volksmund auch Bären genannt. Wir alle stammen von einem kleinen, drolligen Baumbewohner namens Miacis ab, der vor etwa sechzig Millionen Jahren lebte, womit er entwicklungsgeschichtlich nicht zu lange nach den frühesten heutigen Säugetieren, aber lange vor den frühesten der großen Affen einzuordnen wäre. Der gute alte Miacis hatte die Größe eines Nerzes, kurze Läufe, eine lange Rute, einen langgestreckten Körper, einen mäßig langen Hals und Stehohren (2). Dann aber trennen sich unsere Wege auch schon. Die entwicklungsgeschichtliche Abteilung, die am Ende zu den Kläffern führte, setzt sich mit einem Tier namens Cynodictis fort. Danach kam Cynodesmus , eine Familie großer Tiere, aus der wohl die Hyänen und die heutigen afrikanischen und Kap-Jagdhunde hervorgingen. Die zweite Evolutionslinie hieß schließlich Tomarctus , der gemeinsame Vorfahr aller Caniden einschließlich der Wölfe, Schakale, Füchse, Dingos und Wildhunde.
Daß die Kläffer direkt vom Wolf abstammen, gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen. Allerdings keineswegs ein hundertprozentig belegbares, wie manch einer es gern hätte. Für die meisten scheint der Wolf eine bestimmte Macht sowie etliche edle Eigenschaften zu besitzen. Ja, mittlerweile scheint er im öffentlichen Bewußtsein zu so etwas wie dem vom weißen Manne dezimierten stolzen Indianer mutiert zu sein, der seinen Mitgeschöpfen nur dann ans Leder geht, wenn sein Magen sich meldet oder der seiner lieben Kinder. Das mag so sein oder auch nicht. Jedenfalls braucht man einem Wolf nur einmal in die Augen zu schauen, um zu erkennen, daß ein Kläffer nicht einfach ein gezähmter Wolf ist. Der Kläffer hat kreisrunde Pupillen, viele Wolfsarten jedoch ovale, schräggestellte.
Könnte es also sein, daß sie in Wahrheit von einem Kollegen abstammen, der in dem Ruf steht, durch die Straßen zu streifen, Unrat und Abfall jeder Art zu verschlingen, wirklichen Raubtieren zu folgen und sich die Überreste von deren Mahlzeiten zu schnappen, ja sogar Friedhöfe heimzusuchen, wo er nicht einmal davor zurückschreckt, Leichen auszugraben, um das noch an den Gebeinen haftende Fleisch zu fressen? In der Tat glauben viele hervorragende Wissenschaftler den Beweis gefunden zu haben, daß die Kläffer zu einem erheblichen Teil vom Schakal abstammen. Doch wer möchte schon glauben, daß sein vierbeiniger Liebling, mit dem man Haus und vielleicht sogar Bett teilt, genetisch ein abfallfressender Grabräuber und übelriechender Feigling ist? In psychologischer Hinsicht ist es viel leichter, den Kläffer mit dem ritterlichen Wolf zu assoziieren. Abgesehen davon, daß sämtliche Kläfferarten untereinander kreuzbar sind, sogar Füchse mit Wölfen, so daß der gemeine Kläffer genetisch wohl ein »Gesamtkunstwerk« sein dürfte.
Ich persönlich verabscheue an ihnen am meisten ihre blindwütige Aggressivität, welche allzu leicht in Kriegsbegeisterung kippen kann. Die heute als Kriegsfurien bezeichneten
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