Felidae 4 - Das Duell
um ein Tierleben zu retten. Mich jedenfalls haben sie fabelhaft behandelt.«
»So? Dann leg mal schnell ein Wendemanöver um hundertachtzig Grad hin, Paps.«
»Wie bitte?«
Junior setzte sich einen milden Ausdruck auf, als bereite er einen Neunzigjährigen darauf vor, daß es Zeit ist, die Windeln zu wechseln.
»Na, du erwähntest doch eben eine Wunde an deinem Hintern, von der du nicht sicher warst, ob du sie dir im Kampf mit Adrian zugezogen hast.«
»Na und?«
»Umdrehen!«
Ich drehte mich um, aber so schicksalsergeben und verlegen wie jemand, dem die Diagnose Hämorrhoiden auf die Stirn geschrieben stand. Dann spürte ich auch schon Juniors ausgefahrene Krallen an meinem Hinterteil, die behutsam die Fellhaare zur Seite schlugen. Bei dem Gedanken, daß auch der alte Blaubart wie ein Idiot auf meinen Allerwertesten starrte, hätte ich vor Scham im Boden versinken können.
»Aha, jetzt kommen wir der Sache näher«, hörte ich Junior wichtigtuerisch aus dem Heck rufen. »Hier ist der Stich des Betäubungspfeils, auf den ersten Blick kaum auszumachen, lediglich erkennbar an einer kleinen Rötung. Aber mir entgeht nichts!«
Er fummelte weiter an meiner intimsten Stelle, als suche er im Gebüsch nach den Resten einer erlegten Maus. Wie ich zu spüren meinte, hatte er sich inzwischen die andere Gesäßhälfte vorgenommen. Dann mit einem Male stoppte mein geliebter Sohn, und seine Pfote erstarrte.
»Oh! Oh! Oh!« entfuhr es ihm.
»Scheiße nein!« gab Blaubart seinen Senf dazu.
»Was ist denn?« wollte ich voller Ungeduld wissen, weil ich fürchtete, daß die beiden so etwas Ähnliches wie Arschkrebs an mir entdeckt hätten. »Habt ihr etwas gefunden?«
»Nun ja, wie man's nimmt«, sagte Junior.
»Dann sprich endlich, bevor ich noch den Verstand verliere! Beschreibe mir, was du siehst!«
»Hier ist eine kleine Stelle rasiert und Fleischgewebe von der Größe eines Nagelkopfes entfernt worden. Sie gleicht einem sauber ausgeschnittenen Löchlein und schimmert noch orangefarben von dem Antiseptikum, das darüber gestrichen wurde.«
»Ist das alles?«
»Das ist alles, Paps.«
Ich gab die würdelose Position auf und baute mich wieder vor den beiden auf. Junior fühlte sich bemüßigt, eine oberschlaue Erklärung abzugeben, auf die ich schon selbst gekommen war.
»So wie ich die Sache sehe, haben dir diese jungen Ärzte in ihrem kleinen, aber feinen Krankenhaus eine Gewebeprobe entnommen«, sagte Junior, und ich las in seinem Gesicht, daß er sich im Geiste vor Stolz gegen die Brust schlug.
»Die Halunken haben kostbares Francis-Fleisch stibitzt, während du gepennt hast, mein Freund«, ergänzte Blaubart.
»Das hat nichts zu bedeuten«, sagte ich. »Tierärzte verfahren bisweilen nach der gleichen Methode, wenn sie ein unbekanntes Tier vor sich haben und labortechnisch analysieren wollen, in welchem Gesundheitszustand es sich befindet. Ein Akt der Fürsorge, keine dunklen Machenschaften! Wie sonst ließen sich die Futterberge m diesem Lager erklären? Oder glaubt ihr etwa, das Zeug ist mit Rattengift behandelt?«
»Also wenn Rattengift so schweinegut schmeckt, dann lasse ich mich gerne vergiften. Scheiße ja!«
Blaubart schickte einen brüllenden Lacher gen Decke.
»Bloß daß Tierärzte nicht ohne triftigen Grund Gewebeproben entnehmen, sondern höchstens ein bißchen Blut abzapfen, Paps«, brachte Junior die Spekulationen auf den Boden der Logik zurück. »Wie dem auch sei, mir scheint, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist diese Gestalt mit den glühenden Augen, die dich am Leichenfundort beobachtet hat. Wenn der Kerl der Mörder ist, warum hat er dich nicht angegriffen? Und wenn er nur ein Zeuge war, wieso floh er, anstatt sich dir anzuvertrauen?«
Ich war kurz davor, auch noch den eigenartigen Traum zum besten zu geben, der in meinem Schädel rumorte wie eine Flaschenpost mit einer zwar kryptischen, aber äußerst bedeutungsvollen Botschaft. Doch so allmählich spülte ich die Spätfolgen der Betäubung, eine neue Welle der Müdigkeit, und hob mir die Sache mit dem Traum für ein andermal auf.
»Paps, versuche dich genau zu erinnern«, fuhr Söhnchen beharrlich fort. »Handelte es sich bei dem Voyeur um einen Menschen oder um ...«
»Ich weiß es beim besten Willen nicht, Junior«, sagte ich entnervt. »Zumal mein Gedächtnis im gegenwärtigen Zustand einer Festplatte mit hundert Schrammen gleicht. Dieser Betäubungspfeil hat bei deinem alten Herrn mehr Schaden angerichtet, als am Anfang
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