Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
Konsequenzen. Für dich. Du würdest nur unglücklich werden, immer weiter bohren, würdest dich verrennen, bis du am Ende tatsächlich den Verstand verlörest.«
»Lieber den Verstand verlieren als ein Rätsel ungelöst lassen. Mein Antrieb ist nun einmal die krankhafte Neugier. Also, ich frage euch zum letzten Mal …«
Der dicke Schwarze schüttelte erneut den Kopf, diesmal ungehaltener, und wandte sich abwechselnd zu seinen Nachbarn an seinen Flanken und zu den in den hinteren Reihen. Diese nickten ihm in einer Tour zustimmend zu, als hätten sie sich auf die Schnelle telepathisch beraten, und alle zusammen drehten sich dann wieder zu mir um. »Gut, du willst es nicht anders!«, entschied Richter Fettkopf.
Bummm! Schlagartig setzte wieder der Effekt der rückwärtslaufenden Zeit ein, der mich für eine Sekunde lang sowohl in der Bewegung als auch in der Wahrnehmung einfror wie ein gigantischer Schwall crushed ice . Also erneut Kommando zurück und das Korsett der pervertierten Zeit übergestülpt. Wir sprachen das eben Gesprochene rückwärts, danach wandte ich meinen Kopf zu den Staatenlenkern und registrierte ihre entsetzten Reaktionen auf den Rückenplatscher der Familienministerin in ihrer Mitte, und gleich darauf hüpfte ich wieder auf Gundulas Bauch, um nun mit ihr zusammen durch ein sich selbst verschließendes Loch im Glasdach gen Himmel aufzusteigen. Es war, als wäre mein ganzer Körper von einer dämonischen Fernsteuerung übernommen worden, gegen deren Signale ich nicht das Geringste auszurichten vermochte.
Aber verhielt es sich wirklich so? Hatte ich mir nicht zuletzt hoch und heilig geschworen, dass ich mich mit allen Mitteln wehren würde, wenn dieser Fall noch einmal einträte? Doch mit welchen Mitteln denn, verdammt? Ich war der Gefangene von etwas, das ich weder kratzen noch beißen, noch in Stücke reißen konnte. Und dennoch, ja, dennoch hatte ich es auf den zweiten Blick eigentlich mit
einem recht zahnlosen Tiger zu tun, eben weil er nicht gegenständlich war. Die Zeit, was bedeutete sie in ihrem ursprünglichen Kern? Nichts als reine Subjektivität! Man nahm sie wahr – aber musste man es unbedingt? Konnte man sie nicht ebenso manipulieren, wie sie einen selbst manipulierte?
Ich hatte vor langer, langer Zeit einen Artikel darüber gelesen, dass Zeitreisen doch möglich wären, allerdings anders als gedacht. Dazu bedurfte es nicht einmal einer Zeitmaschine. Wenn eine Gruppe von Menschen sich dazu entschlösse, zum Beispiel ins Mittelalter zu reisen und dort zu leben, und zwar mit allen diesem Entschluss innewohnenden Konsequenzen, so brauchten sie dafür weder eine Hochtechnologie noch die Umgehung physikalischer Gesetze. Sie mussten es einfach nur tun. Wenn sie also in einer abgelegenen Gegend ihr Getreide selbst anbauten, auf moderne medizinische Hilfe, fortschrittliche Kommunikations- und Transportmittel, auf fließend Wasser und wissenschaftlich erprobte hygienische Mittel verzichteten und wenn sie freiwillig irgendwelchen Adeligen, Königen und der Kirche dienten, wenn sie sich haargenau den Lebensbedingungen des Mittelalters unterwarfen, so hatten sie sich automatisch ins Mittelalter katapultiert. Und wenn sie das lange genug betreiben und dabei ihren Ursprung sukzessive vergessen würden, lebten sie irgendwann wirklich in der Zeitepoche, in die sie hatten reisen wollen.
Es war demnach mit einem geistigen Kraftakt möglich, dem Diktat der Zeit zu entrinnen, ihr ein Schnippchen zu schlagen. Ich entschloss mich zu diesem Kraftakt – mit meinem Willen und mit meinem Körper. Der umgekehrte
Zeitstrom nötigte meinen Bewegungen zwar ein vorgegebenes Muster auf, doch da mein Geist sich ulkigerweise nicht an dieses Muster hielt und weiterhin beharrlich zukunftsgerichtet dachte, funktionierte ich meinen Willen zu einem Blockadebrecher um. Ich bockte geradezu und wehrte mich mit aller Konzentration gegen das Zeitdiktat.
Am Anfang war es mit enormen Schmerzen und einer gewaltigen Kraftanstrengung verbunden. Es tat richtig bis in die Knochen weh und zeigte wenig Erfolg. Doch dann – das alles spielte sich in wenigen Sekunden ab, obwohl es mir wie eine Ewigkeit vorkam – spürte ich zumindest den Anflug einer Veränderung. Nichts Bahnbrechendes, aber ein schwaches Ziehen in die Gegenrichtung. Es begann zu wirken! Ein klein wenig. Voller Euphorie konzentrierte ich mich umso intensiver, wandte noch den letzten Funken an Geisteskraft in die Gegenwehr auf, sodass es schließlich zu
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