Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
einem Patt kam. Alles um mich herum beugte sich der Gewalt der pervertierten Zeit, allein ich löste mich aus dieser starren Blase wie ein sich selbst abstoßender Fremdkörper.
Irgendwann war der Kipppunkt erreicht. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber so ganz allmählich ließen der Druck und das Zerren an meinem Körper nach, und ich erlangte sukzessive meine gewohnte Körperbeherrschung zurück. Und die Vorwärtsbewegung! Der meinem Ich aufoktroyierte Zwang zu umgekehrter Bewegungsrichtung und Chronologie schien tatsächlich vor meiner Willenskraft kapituliert zu haben. Bevor Gundula himmelwärts fuhr, stieg ich erneut von ihrem Bauch ab, und während alle anderen im Saal wie Darsteller in einem Film getreulich ihre Rollen weiterspielten und den umgekehrten Sturz der
Familienministerin in ihrer Mitte mit rückwärts abspulender Mimik und Gestik verfolgten, schüttelte ich mich einmal kräftig. Seltsam, sowohl die schwarzen Biester als auch die Staatenlenker schienen meine Extra-Tour nicht zu bemerken. Infolgedessen war also eine Abzweigung aus dem vorgegebenen Zeitstrom möglich, wenn man sich etwas einfallen ließ. Und offenkundig bekam niemand etwas davon mit. Ich schaute mich nach einem Versteck um.
Dort, unter der Tribüne! Dabei handelte es sich natürlich nicht um ein hastig zusammengezimmertes Brettergerüst, sondern sozusagen um die präsidiale Luxusausstattung. Dennoch war sie das Ergebnis von Improvisation. Während es oben mit den bequemen Ledersitzen exquisit zuging, bestand der untere Teil aus einer banalen Gestängekonstruktion. Und die sollte mir quasi als ein Wald dienen, in dessen Geäst ich mich verbergen und nach Ablauf der acht Minuten und sechsundfünfzig Sekunden lauschen konnte, was Tier und Mensch sich vor meinem Eintreffen zu sagen gehabt hatten. Rasch lief ich hinüber und versteckte mich hinter den Stangen. Wie alle anderen verfolgte ich danach das Einschlagen Gundulas durch das Glasdach rückwärts und das sich Verschließen desselben an der Bruchstelle, bis die Köpfe wieder niedersanken und beide Parteien sich von Angesicht zu Angesicht betrachteten. Die Spanne, in der ich hinter den Lügenschleier schauen und die wirkliche Bewegungsrichtung der Zeit erkennen konnte, war schließlich abgelaufen, und alles bewegte sich wieder normal vorwärts. Ich befand mich jetzt in der Zeitebene vor meinem großen Auftritt. Allerdings durfte ich mich auf keinen Fall fragen, wer sich gerade oben von Gundula kraulen ließ.
»Wir brauchen Garantien dafür, dass an der Zeit nicht nach Belieben herumgepfuscht wird, je nachdem, wie es eurer Seite gerade opportun erscheint«, sagte der amerikanische Präsident gerade.
»Wir sind nur Unterhändler«, erwiderte der fette Richter der felinen Art von gegenüber. »Und Schutzpatronen unserer Brüder und Schwestern. Wir sorgen dafür, dass ihnen auf der Erde kein Leid zugefügt wird. Auch wenn wir das leider nur miserabel hinbekommen. Aber die Umstände und die Natur des Menschen erlauben uns nun mal keine großen Schritte.«
Alles bisher Erlebte und die groteske Szenerie vor meinen Augen waren eigentlich schon irrsinnig genug. Doch dass Spitzohren mit Menschen frank und frei zu sprechen vermochten und umgekehrt, als wäre es das Normalste der Welt, setzte dem Irrsinn die Krone auf. Ich war derart geschockt, dass ich für viele Atemzüge das Atmen vergaß. Wie funktionierte diese Unterhaltung? Jedenfalls nicht auf die natürliche Art und Weise, wenn ich seit meiner Geburt nicht in einer Gaga-Wirklichkeit gelebt hatte. Oder aber es verhielt sich alles ganz anders, und völlig unbekannte Mächte waren am Werk. Diese machten es irgendwie möglich, dass direkte sprachliche Kommunikation zwischen Tier und Mensch sozusagen durch geisterhafte Simultanübersetzer stattfand. Wer waren diese Mächte, die den Lauf der Zeit ändern konnten und sogar die Autorität besaßen, einflussreiche Staatsoberhäupter zu sich herbeizuzitieren? Die vollgefressenen schwarzen Mäusejäger hier, diese unverschämten Gernegroße, die sich ja selbst lediglich als Unterhändler bezeichneten? Sicherlich nicht. Sondern
wohl eher solche, die sich selbst über die Macht eines amerikanischen Präsidenten mit seiner Billionen-Dollar-Armee erheben konnten. Nur wer, wer, wer?
»Es ist doch so, Mr President«, fuhr der Dicke fort. »Ein Liebender, der nichts vom Seitensprung seiner Geliebten weiß, empfindet keinerlei Eifersucht. Nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
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