Felidae
Zugehörigkeitsstreitereien ausbrechen, werden alle diese Gattungen offiziell der Hauptursprungsart, der Felidae zugerechnet.«
Pascal bekam einen entrückten Blick, als schaue er in jene geheimnisumwobene Urzeit.
»Felidae ... «, hauchte er fast schmachtend. »Die Evolution hat eine erstaunliche Vielzahl von Lebewesen hervorgebracht. Mehr als eine Million Tierarten leben heutzutage auf der Erde, aber keine nötigt einem mehr Respekt und Bewunderung ab als die Felidae. Obwohl sie nur etwa vierzig Unterarten umfasst, gehören ihr die absolut faszinierendsten Geschöpfe an. Wenn es auch noch so abgedroschen klingt: ein Wunder der Natur!«
»Aber was beinhaltet diese Liste, Pascal? Betreibst du mit dem Computer Ahnenforschung? Und was hat das alles mit den Morden zu tun?«
Er lächelte spitzbübisch.
»Geduld, junger Freund, ein wenig Geduld. Wenn du mit einem alten Mann sprichst, brauchst du vor allen Dingen zwei Eigenschaften: Absolute Immunität gegen Mundgeruch und Geduld!«
Mit Hilfe einer Taste ließ er die einzelnen Punkte der Liste der Reihe nach hell aufleuchten, bis er den Titel »Gemeinschaft« erreichte und dann eine andere Taste drückte. Die Liste verschwand, und zum Vorschein kam nun ein umfangreiches Verzeichnis von Namen, unter denen jeweils ein etwa halbseitiger Text beigefügt war.
»Dies hier ist die detaillierte Aufstellung der Mitglieder unserer Gemeinschaft, der Bewohner unseres Distriktes«, erklärte Pascal. »Jeder Artgenosse ist nach Name, Alter, Geschlecht, Rasse, Fellzeichnung, Familie, Halter, Charaktereigenschaft, hervorstechenden Merkmalen, gesundheitlichem Zustand und so weiter und so fort registriert. Insbesondere sind die vielfältigen Beziehungen zwischen den einzelnen Artgenossen dokumentiert, die ein kompliziertes Such- und Zuordnungssystem auf Wunsch in wichtige Zusammenhänge bringt. Da fällt mir ein, da ß ich dich auch noch eintragen mu ß . Insgesamt sind hier zirka zweihundert Brüder und Schwestern erfa ß t. Ich habe die Liste am Anfang meines Computerkurses aufgestellt, damit ich anhand des unübersichtlichen Materials die Funktionen dieses Datenverwaltungsprogramms ausprobieren konnte. Nur so aus Jux sozusagen. Inzwischen hat sie allerdings eine vollkommen neue Bedeutung erlangt.«
Er berührte erneut eine Taste, woraufhin rechts oben ein kleines blinkendes Fragezeichen erschien. Pascal tippte daneben das Wort »Mord« ein. Der Kasten gab stöhnende Geräusche von sich, schob die Liste im Schnelldurchlauf rauf und runter, bis er schließlich bei dem Namen »Atlas« stoppte, diesen und die dazugehörigen Daten schwarz umrahmte, sie blutrot unterlegte und ganz unten mit einem dicken schwarzen Kreuz versah.
»Atlas war der erste, der dem schwarzen Mann ins Netz ging. Er war ein kleiner Casanova; jung, unbeschwert, trug nichts als einen unersättlichen Hunger nach Leben und Liebe in sich. Unwahrscheinlich, da ß er sich jemals irgendwelche Feinde gemacht hat. Er war zwar unkastriert, so da ß er den Revierchefs gelegentlich in die Quere kommen mu ß te, doch wie alle Unkastrierten hatte er zu Territorialansprüchen eine großzügige Einstellung.«
»Wu ß test du, da ß sämtliche Opfer zum Zeitpunkt ihrer ...«
»Ja, sie alle waren zum Zeitpunkt ihrer Ermordung verliebt, also hinter einem rolligen Weibchen her. Das ist wohl die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen, wenn man davon absieht, da ß sie alle Männchen waren und da ß zwischen ihren Familien Querverbindungen existieren. Aber lassen wir das vorläufig so im Raum stehen.«
Wieder bediente er seine magischen Tasten und wieder erschien ein mit einem Kreuz versehener Name.
»Zweites Opfer: Tomtom. Ein neurotisches Vieh, litt fortwährend an Verfolgungswahn. Extrem scheu und ziemlich lebensuntüchtig. Früher oder später hätte er ohnehin ein schlimmes Ende gefunden ... Leiche Nummer drei: N amenloser Artgenosse. Wahrscheinlich ein obdachloser Streuner, der jeden Tag das Revier wechselte. Stark anzunehmen, da ß er von mildtätigen Gaben und aus der Mülltonne lebte. Reiner Zufall, da ß seine Frühlingsgefühle ausgerechnet in unserem Distrikt ausbrachen. Der vierte Tote war Sascha. Er war fast noch ein Kind. Höchstwahrscheinlich wurde er erst ein paar Wochen vor dem finalen Nackenbi ß so richtig geschlechtsreif. Besonderes Kennzeichen: z u jung zum Sterben. Der Fünfte in der Runde ist schließlich Deep Purple. Blaubart erzählte mir, da ß du dich über ihn bereits informiert hast. Hätte nicht
Weitere Kostenlose Bücher