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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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wirkten. Immer wieder blieb ich stehen und schaute mich aufmerksam um, in der Hoffnung, anhand einer Spur Schlüsse über die Ursache der Zerstörung ziehen zu können. Doch vergeblich. Außer der Tatsache, da ß die Erbsenpflanzen sich sogar in die Wohnungen hineingefressen hatten, konnte ich nichts herausfinden.
    Die grüne Hölle wurde immer dichter und unüberschaubarer. Als sich in mir bereits leise Verzweiflung breitmachte, sah ich im Pflanzendickicht eine winzige Öffnung, durch die blendendes Licht fiel. Ich lief schnell darauf zu, steckte zunächst meinen Kopf durch dieses Loch und zwängte als nächstes den ganzen Körper hindurch. Was ich dann sah, erfüllte mich mit unbeschreiblichem Grauen.
    Vor mir breitete sich eine ausgedehnte, von gleißendem Licht übergossene Lichtung aus, die übersät war mit Kadavern von Artgenossen. Offensichtlich hatte bei dieser Apokalypse nicht nur die menschliche Rasse ihr Ende gefunden. Berge von Leichen stapelten sich wirr aufeinander wie Unrat auf einer Mülldeponie, auf die ein Blutschauer niedergegangen zu sein schien. Millionen von weitaufgerissenen Augen starrten nachdenklich auf die rote Flüssigkeit, die aus Millionen von zerfetzten Nacken rann. Manche der toten Leiber hatten die Verwesung bereits hinter sich; ihre Felle wiesen an einigen Stellen Löcher auf, durch die man in ihr Inneres blicken konnte. Dennoch bluteten sie, als würden sie unterirdisch von einer geheimnisvollen Pumpe versorgt.
    Obgleich mir bei diesem Anblick Tränen in die Augen geschossen waren, konnte ich durch den Trauerschleier erkennen, da ß auf dem vordersten Leichenhügel mir wohlvertraute Bekannte lagen. Nicht nur Felicitas, Sascha, Deep Purple, nein, auch Blaubart, Kong, Herrmann und Herrmann, Pascal und Freunde aus meinem früheren Revier waren bei dieser stummen Party anwesend und blickten mit ihren toten Augen so erwartungsvoll drein, als lauschten sie dem Trinkspruch des Gastgebers. Sogar Atlas, Tomtom und der unbekannte Artgenosse, die ich zwar nie zuvor gesehen hatte, aber zu kennen glaubte, befanden sich auf diesem Horrorfriedhof. Die Menschen waren ihrer uralten, lieben Gewohnheit treu geblieben und hatten auch alle anderen in ihr Unglück mit hineingerissen.
    Doch die Stille währte nicht lange. Plötzlich vibrierte die Erde, als würde eine Untergrundbahn nur ein paar Zentimeter unter meinen Pfoten entlangrasen, und ein verzerrtes, brüllendes Geräusch erklang, als würde erneut eine Wasserstoffbombe, die diese Welt wahrscheinlich vernichtet hatte, in einem umgekehrten Filmverfahren wieder aus dem Boden emporstampfen und sich in die Lüfte erheben. Die Leichen gerieten in Bewegung, begannen wild zu zappeln, als reagierten sie auf einen unter der Erde verborgenen Magneten, der ganz schnell hin- und herbewegt wurde. Das Brüllen verstärkte sich bis zur Schmerzgrenze; die Toten hüpften wie frisch gefangene Fische, die man ans Land zog; der Himmel verfärbte sich in dunkles Rot, und ein kräftiger Wind blies.
    Plötzlich brach er mit einem ohrenbetäubenden Knall inmitten der leblosen Körper hervor: etwa dreißig Meter groß, titanisch, mit unheilvoll funkelnden Augen hinter den die Röte des Himmels reflektierenden Brillengläsern. Sein Priestergewand flatterte gemächlich im Wind; die Haare standen ihm zu Berge und wirbelten durcheinander wie lodernde Flammen. Er lachte, aber das Lachen war wie ein Schreien, wie die Karikatur eines Lachens. Es war Gregor Johann Mendel, der Mann aus dem Wandgemälde, der ein Ungeheuer geworden war.
    »Des Rätsels Lösung ist wirklich sehr einfach, weil es logisch ist, Francis«, brüllte er höhnisch. »Und in deinen Augen lese ich, da ß du der geborene Logiker bist.«
    Er schaute hä ß lich grinsend auf die Kadaver unter sich herab.
    » Panthera, Acinonyx, Neofelis, Lynx, Leopardus: FELIDAE! Mehr als eine Million Tierarten leben heutzutage auf der Erde, aber keine nötigt mir mehr Respekt und Bewunderung ab als die gute alte Felidae! Wenn es auch noch so abgedroschen klingt: ein Wunder der Natur! Doch Vorsicht, Francis! Unterschätze den Homo sapiens nicht.«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass er seine rechte Hand hinter dem Rücken verbarg. Immer noch widerwärtig grinsend brachte er nun diese Hand zum Vorschein, welche ein überdimensionales Marionetten-Spielkreuz hielt. Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Spielkreuz besaß dieses jedoch eine unüberschaubare Anzahl von Führungshölzern und keine Spielfäden.
    Der Riese Mendel wackelte

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