Felidae
unversehrten Auge betreten vor sich hin, wobei er mich aus dem Augenwinkel stumm um Verständnis bat.
»Aber selbstverständlich, mein lieber Blaubart. Appetitlosigkeit ist eine ernstzunehmende Angelegenheit. Es wäre vielleicht ratsam, wenn du dich einer medizinischen Untersuchung unterziehen würdest. Mit solchen kleinen Beschwerden kann man nicht vorsichtig genug sein.«
»O nein, nein«, beschwichtigte Blaubart. »War nur so 'ne, wie sagt man so schön, so 'ne Unpä ß lichkeit. Ich glaube, ich werde mich sofort wieder besser fühlen, wenn ich was zwischen die Kiemen kriege.«
»Ja, ja, nur zu. Das LatziKatz steht in der Küche.«
Zuvorkommend, wie er nun mal war, wollte er uns dorthin führen. Doch als Blaubart wie auf ein Stichwort schon in Richtung Küche vorgehumpelt war, versperrte ich dem Computerspezialisten rasch den Weg.
»Entschuldige, Pascal, aber ich hätte mir nicht mal im Traum einfallen lassen, da ß auch einer von uns so ein Gerät bedienen könnte. Würdest du es mir vielleicht vorführen?«
Auf seinem Gesicht breitete sich ein begeistertes Lächeln aus. Der Knabe war die Liebenswürdigkeit in Person!
»Aber klar, Francis, nichts lieber als das. Wenn du möchtest, kann ich's dir sogar beibringen. Übrigens hat Blaubart viel von dir erzählt. Nur Gutes natürlich. Deine Bemühungen, dem Morden im Distrikt ein Ende zu setzen, finde ich einfach beispielhaft. Auch ich versuche auf meine bescheidene Art, diesem grausamen Schlächter auf die Schliche zu kommen. Ich glaube, mit vereinten Kräften könnten wir ihm das Handwerk legen. Hier siehst du, wie die Methode funktioniert ...«
Wir sprangen auf den Schreibtisch und stellten uns vor den Monitor, der auf dem Rechner drauf stand. Der Hausherr hatte sich auch hierbei nicht lumpen lassen. Das Ding war tatsächlich ein IBM-Gerät. Bei dem Text auf dem Bildschirm handelte es sich offenbar um einen wissenschaftlichen Essay, denn schon nach dem Lesen der ersten Zeile verflüchtigte sich meine Konzentration wie aus dem Flakon entwichenes Parfüm.
»Mein Herrchen ahnt natürlich nicht, da ß ich in seiner Abwesenheit mit seinem Arbeitsgerät spiele. Aber er ist den ganzen Tag nicht zu Hause, und es kann hier verdammt langweilig werden, das kannst du mir glauben. In meinem Alter verspürt man auch wenig Lust, da draußen herumzustreunen.«
Noch einer, dem es vor »da draußen« graute. Es lebten lauter Mönche in dieser Gegend. Verständlich, wenn man bedachte, da ß »da draußen« unter der Schirmherrschaft von Bruder Amok stand.
»Das ist ja eine unglaubliche Sache, Pascal. Wie, um alles in der Welt, hast du das gelernt?«
»Ganz einfach. Die Programmierbücher meines Lebensgefährten fliegen immer irgendwo in diesem Arbeitszimmer herum. Ich schaue einfach hinein und bringe mir das Zeug selber bei. Die Disketten klaue ich von ihm. Und hinter seinem Rücken habe ich sogar den Kasten manipuliert und auf der Hard Disk geheime Dateien eröffnet ... «
»Moment, Moment, nicht so schnell«, protestierte ich. »Wenn dir etwas daran liegt, da ß man dir weiterhin zuhört, mu ß t du langsamer sprechen. Programmierbücher, Disketten, Hard Disk, das alles hört sich für mich wie Arabisch an.«
Er grinste beschämt.
»Ja, ja, der alte Pascal redet sich das Maul franselig, wenn der Tag lang ist. Vor allem viel dummes Zeug. Das ist wohl das Alter. Man quatscht sich die Einsamkeit aus dem Rachen. Doch keine Sorge, Francis. Ich werde dir alles beibringen. Denn es ist wirklich sehr einfach, weil es logisch ist. Und in deinen Augen lese ich, da ß du der geborene Logiker bist.«
»Ich wünschte, mein logisches Genie würde mir bei der Aufklärung der Mordserie weiterhelfen. Doch trotz der zahlreichen Hinweise und Indizien, die ich in der Zwischenzeit sammeln konnte, bin ich so schlau wie zuvor.«
»Womit wir wieder beim Thema wären.«
Pascal berührte einen der Funktionsknöpfe, die sich am oberen Teil der Tastatur befanden. Daraufhin verfinsterte sich der Bildschirm von oben abwärts, bis er vollkommen schwarz war. Dann tauchte in dieser Schwärze eine Liste auf, die eine Unmenge von römisch numerierten Titeln enthielt. Ganz oben stand die Überschrift der Liste: FELIDAE.
»Weißt du, was dieses Wort bedeutet?« fragte Pascal.
»Natürlich«, entgegnete ich. »Es ist der wissenschaftliche Überbegriff für unsere Art, die sich in Panthera, Acinonyx, Neofel i s, Lynx und Leopardus unterteilt. Obwohl unter den Zoologen noch heute
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