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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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können? Einen erfreulichen Nebenaspekt hat die traurige Geschichte. Je mehr ich mich mit diesen Tieren beschäftige und über sie erfahre, desto stärker faszinieren sie mich. Gleichgültig, was für ein Ende das Projekt finden wird, ich gedenke, danach die Arbeit in der Forschung ganz aufzugeben, wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zu arbeiten. Die Züchtung von diesen Biestern auf streng wissenschaftlicher Basis wäre dann ein hübsches und auch einträgliches Hobby. Um ehrlich zu sein, ich habe schon heimlich damit angefangen.
     
     
    4. August 1980
     
     
    Drei Hiobsbotschaften an einem Tag: Jetzt ist es amtlich. Heute morgen landete ein Brief von PHARMAROX auf meinem Schreibtisch, in dem mir Geibel mitteilt, da ß die Ausgaben für das Projekt um ein Drittel gekürzt sind. Die konkrete Folge des sinnlosen Einschnitts: Entlassung fast aller Laborantinnen und eines Bioassistenten, Kürzung der Gehälter, drastische Einsparungen an Versuchstieren und an diversen Kleinigkeiten, deren Fehlen uns die Arbeit noch schwerer gestalten wird, als sie ohnehin schon ist. Diese Pfennigfuchser tun genau das Verkehrte. In diesen bedrückenden Stunden, da wir nicht weiterkommen und eigentlich mehr finanzielle Zuneigung benötigten, kürzen sie den Etat. Obendrein hat Gray um seine Entlassung gebeten. Ich nehme an, er will nicht, da ß sein Name später mit einem Flop in Zusammenhang gebracht wird, was zugegebenermaßen einen hohen Grad an Intelligenz beweist.
    Die dritte Katastrophenmeldung ist dem gegenüber von harmloserer Natur. Die Veterinärbehörde genehmigt uns weniger Tierversuche, als wir beantragt haben. Um die Anzahl der bisher ausgestellten Genehmigungen konstant zu halten, verlangen die Kommissionsmitglieder detaillierte Einsichten in die Experimente, was auf gut Deutsch heißt, auch sie wollen Erfolge sehen. Was sagt man dazu! Als würde das Projekt nicht von PHARMAROX, sondern von diesen Klugscheißern finanziert. Ich kann mir natürlich denken, wer hinter diesem gefährlichen Unfug steckt: Knorr und seine Spießgesellen. Da sie keine andere Möglichkeit sehen, meine Arbeit zu sabotieren, probieren sie es auf diese miese Tour.
    Es ist jetzt zwei Uhr nachts. Im ganzen Gebäude herrscht brüllende Hitze. Ich bin wieder betrunken, und alle meine Gefühle scheinen wie abgestorben zu sein. Gerade eben war ich im Tierraum, um nach meinen Patienten zu sehen und ihnen Wasser zu geben. Sie alle haben große hä ß liche Narben, die man auf dem rasierten Fell deutlich erkennen kann. Es ist bedauerlich, da ß einige unter ihnen verstümmelt werden mu ß ten, aber wir hatten keine Wahl. Am schlimmsten geht es Claudandus, dessen genetischen Code wir immer noch nicht entschlüsseln konnten. Durch die zahllosen Experimente hat er mittlerweile das Aussehen eines Monsters. Er schlief, doch er stöhnte im Schlaf vor Schmerzen. Wenn tatsächlich noch ein Wunder geschehen sollte, werde ich ihm ein Denkmal setzen. Ich werde das Präparat »Claudandus« nennen.
     
     
    23. August 1980
     
     
    Heute habe ich es getan. Als ich drei Uhr morgens das Labor verließ und unter dem Einflu ß einer beachtlichen Traubensaftdosis etwas desorientiert zu meinem Wagen wankte, fielen sie mir auf. Vor fast jeder Haustür saß eines dieser exzentrischen Geschöpfe und bewachte sein Revier. Da es ausgesprochene Nachttiere sind, treibt es sie immer um Mitternacht hinaus. Dann gehört ihnen die Stadt. Das mu ß man gesehen haben. Sie nehmen sie förmlich in Besitz. Ich hatte plötzlich den absurden Verdacht, sie fühlten sich uns überlegen und warteten nur auf einen geeigneten Zeitpunkt, an dem sie uns unterwerfen könnten. Es erinnerte mich an die Geschichte von der fleischfressenden Pflanze, die man sich als Sämling ins Haus holt, hegt und pflegt, bis sie eines schönen Tages, hochgewachsen und stark, die gesamte Familie verschlingt.
    Ich schlenderte müde die Straße entlang, als ich zwei kräftige Exemplare auf einer Gartenmauer hocken sah. Sie hatten einen philosophischen Ausdruck in ihren Gesichtern, als dächten sie über die Unendlichkeit des Universums nach. Der Gedanke erheiterte mich, doch gleichzeitig fiel mir unser Versuchstiermangel und der ständige Ärger mit der Veterinärbehörde ein. Bei dem, was ich dann tat, war ich mir keiner Schuld bewu ß t: Ich überlegte nicht lange, klemmte mir die beiden Philosophen unter die Arme, flitzte ins Labor zurück und sperrte sie dort in Käfige. Sie funkelten mich böse an. Ganz offensichtlich

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