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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Verstand zu verlieren. Die Wende, die ich in meiner Überheblichkeit für längst vollzogen hielt, hat offensichtlich niemals stattgefunden. Der Versuch ist an allen fünf Tieren fehlgeschlagen. Das Gemisch hat nicht nur keine Wirkung gezeigt, sondern auch noch aus unerklärlichen Gründen die natürliche Blutgerinnung aufgehoben, so da ß die Tiere jämmerlich verblutet sind.
    Ich habe einen schlimmen Verdacht. Wir warten nur noch, bis Claudandus' Bauchwunde geheilt ist. Dann werden wir ihn wieder »auseinandernehmen« müssen.
     
     
    14. Juni 1980
     
     
    Es ist genauso, wie ich vermutet habe. Claudandus ist eine Mutation. Was ihn von den anderen Tieren unterscheidet, wissen wir nicht. Aber irgendein Faktor in seiner Genstruktur sorgt dafür, da ß der Organismus die »Suppe« problemlos aufnimmt. Heute nahmen wir uns die Flanken des Tieres vor und präparierten sie mit unterschiedlich langen und tiefen Schnitten. Auch an seinen Innereien wurden ein paar oberflächliche Schnitte angebracht. Nach der Behandlung mit dem Gemisch klebten die Wundränder so gut, da ß wir diesmal sogar auf die Sicherheitsnähte verzichten konnten. Danach wurde mit einem anderen Tier dasselbe Experiment wiederholt, welches jedoch völlig mi ß lang. Wir gaben uns nicht mehr die Mühe, den Verletzten zusammenzuflicken und schläferten ihn auf der Stelle ein.
    Zum Glück haben wir Gray bei uns, denn von nun an fährt unser ramponierter Forschungszug in Richtung Genetik. Wir müssen unendlich viele Untersuchungen bei Claudandus durchführen, um sein »Geheimnis« zu lüften. Nebenher laufen die Versuche mit den anderen Tieren natürlich weiter. Ich habe ernsthaft Sorge, da ß PHARMAROX in Anbetracht des ungewi ß gewordenen Erfolges mit dem Gedanken spielen könnte, sich von dem Projekt zu distanzieren oder gar zu trennen. Was soll dann aus mir werden? Ins Institut gehe ich auf keinen Fall mehr zurück!
     
     
    2. Juli 1980
     
     
    Gray und Ziebold sind die ganze Zeit damit beschäftigt, eine Genanalyse von Claudandus zu erstellen, soweit dies mit unseren bescheidenen Mitteln möglich ist. Das Tier ist nicht zu beneiden, denn es mu ß unvorstellbares Leid über sich ergehen lassen. Ständig müssen Gewebeproben entnommen, Injektionen und schmerzverursachende Substanzen verabreicht und Eingriffe an seinen Innereien vorgenommen werden. Es ist ein Bild zum Heulen. Da wir die Hälfte der uns zur Verfügung stehenden Zeit überschritten haben, müssen wir unter Hochdruck arbeiten. Da ß wir jeden Tag fast ein Dutzend Tiere aufschneiden, wieder zunähen, oft verstümmeln oder gleich einschläfer n , ist zur makabren Routine geworden. Hinzu kommt, da ß ich wegen meiner Trinkerei immer öfter mit Rosalie Streit bekomme. Diese Frau weigert sich einfach einzusehen, da ß ich vor Stre ß und Niedergeschlagenheit beinahe explodiere und zumindest in der Nacht ein beruhigendes Ventil brauche.
    Ich war nie dem Alkohol zugetan, auch in meiner Freizeit nicht. Meine Affinität zum Rotwein war eigentlich nur von feinschmeckerischem Belang. Doch in den letzten Monaten stimuliert der Alkohol alle meine Sinne, lä ß t mich klarer denken und sorgt für die Entspannung, die ich so bitter nötig habe. Rosalie begreift das alles nicht. Ob sie je etwas begriffen hat? Ich meine die Bedeutung meiner Arbeit, meine Träume, den Sinn, den ich meinem Leben zu geben versuche? Offenbar können zwei Menschen eine Ewigkeit zusammenleben, ohne den anderen zu kennen und zu verstehen. Diese Einsicht ist bitter und traurig, traurig wie alles hier.
     
     
    17. Juli 1980
     
     
    Wir kommen nicht voran. Doch das scheint gar nicht mal das eigentliche Unglück zu sein, sondern vielmehr, da ß meine Mitarbeiter immer weniger Lust und Willen zeigen, an diesem Projekt weiterzuarbeiten. Junge Menschen, insbesondere aufstrebende, scheinen einen unfehlbaren sechsten Sinn für das Versagen zu besitzen, der sie kurz vor dem Abgrund vom falschen Pferd abspringen lä ß t. Obwohl sie versuchen, sich nichts anmerken zu lassen, indem sie fleißig ihr Tagwerk verrichten, pflichtschuldigst über meine Witze lachen und jeden unbedeutenden Fortschritt zu einem Durchbruch hochstilisieren, mu ß man schon sehr unsensibel sein, um nicht zu merken, da ß alle längst von den lähmenden Pfeilen der Resignation durchbohrt sind. Wie können junge Leute nur so kurzatmig und schwach sein? Wissen sie nicht, da ß große Dinge allein von Menschen mit großem Mut und großen Herzen erschaffen werden

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