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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Aktivitäten des Mörders aufmerksam und darauf, da ß dieser einer aus unserer Mitte war, der ganz offensichtlich im Revier großes Vertrauen geno ß . Artgenossen, die in Hitze gerieten, mü ß ten besonders vorsichtig im Umgang mit vertrauenserweckenden Gestalten sein, so warnte er, ebenso Schwangere, weil der Mörder sich nach bisherigen Erkenntnissen auf diese beiden Gruppen spezialisiert habe.
    Während Pascal diese Punkte sachlich und für jeden verständlich darlegte, waren alle mucksmäuschenstill und lauschten mit einer Konzentration, die man ihnen kaum zugetraut hätte. Sogar Kong wurde nach anfänglichem Geflüster mit Herrmann und Herrmann in den Bann der Grauensanalyse gezogen und war schließlich, vermutlich zum ersten Mal in seinem Rüpelleben, ganz und gar sprachlos. Bevor Pascal das Wort an mich weitergab, schärfte er den Versammelten ein, wenn möglich vorläufig auf Nachtspaziergänge ganz zu verzichten und in Sachen Sexualität etwas Zurückhaltung zu üben, wiewohl dies, wie er allzu gut wisse, vielen der Anwesenden wie eine Zumutung vorkommen werde.
    »Liebe Freunde, mein Name ist Francis«, begann ich meine Rede. »Ich bin erst vor ein paar Wochen in euren Bezirk gezogen. Trotzdem habe ich eine beachtliche Anzahl wichtiger Dinge in Erfahrung bringen können, von deren Existenz ihr nie etwas geahnt habt. Zum Beispiel befand sich in diesem Gebäude 1980 ein Tierversuchslabor, in dem unvorstellbare Verbrechen an unserer Art verübt wurden. Manche von euch sind die Opfer dieser Verbrechen, ohne da ß sie sich dessen bewu ß t sind, weil sie damals noch Kinder waren und keine Erinnerung mehr daran besitzen. Doch leider ist es die Wahrheit: All die Verstümmelten unter euch sind den verfluchenswerten Machenschaften von Menschen anheimgefallen, sind Invaliden als Folge dieser Tierexperimente!«
    Durch das Publikum ging ein kollektives Ächzen und Stöhnen. Alle begannen wild durcheinander zu reden, und binnen kurzem war der Raum von einem ohrenbetäubenden Lärm erfüllt. Ich warf einen zaghaften Blick auf Blaubart, der etwa eineinhalb Meter entfernt von mir hockte. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper und glotzte mit seinem unversehrten Auge nur verbissen geradeaus. Plötzlich ging mir auf, da ß der Halunke es die ganze Zeit gewu ß t hatte, nicht nur geahnt, sondern tatsächlich gewu ß t hatte. Er war nicht gerade der hellste Kopf unter der Sonne, doch war ihm ein eminent wichtiges Charakteristikum eigen, nämlich die sogenannte Bauernschläue oder das, was man als Lebensintelligenz bezeichnet. Diese verborgene Gabe ließ ihn instinktiv Dinge ahnen, zu denen er eigentlich keinen Zugang hätte haben dürfen. Und tief in seinem Innersten hatte er deshalb schon immer gespürt, da ß er von Menschenhand so grä ß lich verunstaltet worden war, von sadistischen Ungeheuern, die über seinen Leib verfügt hatten, als sei er eine Art lebendige Modelliermasse. Aber er hatte nicht mit seinem Schicksal gehadert, sondern der Welt die Zähne gezeigt und ihr tagtäglich eins aufs Maul verpa ß t. Auch wenn die Menschen ihm verschiedene Körperteile geraubt hatten, sein tapferes Mannesherz hatten sie ihm nicht nehmen können.
    »Ruhe, Freunde! Bitte Ruhe!« rief Pascal die aufgebrachte Menge zur Ordnung. Doch das Zetergeschrei der Gäste, die ihrem Schaudern auf diese verzweifelte Weise Luft machten, war schon längst unkontrollierbar geworden. Viele der Verstümmelten waren vom Schock überwältigt und starrten leer vor sich hin oder weinten. Freunde leckten sie mitfühlend und sprachen tröstend auf sie ein. Revierbosse brüllten mir Unflätigkeiten zu, als sei ich für die ganze Tragödie verantwortlich. Pascal startete noch einige Versuche, die Menge zur Räson zu bringen, bis er die Aussichtslosigkeit seiner Appelle erkannte und kopfschüttelnd aufgab.
    Als die Szene tumultartige Ausmaße anzunehmen begann, stand Kong gemächlich auf, reckte und streckte sich gelangweilt, drehte sich dann dem aufgeregten Pulk zu und betrachtete ihn mit derselben Nachsicht, mit der Mütter ihre schreienden Babys zu betrachten pflegen.
    »Das reicht jetzt!« befahl er nach einer Weile mit einer Donnerstimme, wobei er den verständigen Ausdruck in seinem Gesicht wie auf Knopfdruck in eine keinen Widerspruch duldende, eisige Maske der Autorität verwandelte. Alle verstummten und wandten sich ehrfürchtig wieder nach vorne in unsere Richtung.
    »Wollt ihr flennen oder zuhören? Mein Gott, ihr seid so bescheuert! Was hattet

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