Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
kommt«, sagte der alte Mann listig. »Ich spüre so was im Knie.«
»Und mal ganz unter uns: Haben Sie noch einen weiteren Beitrag für die Klassenzeitung geschrieben?«
»Sie meinen den von N.N.? Der würde zu mir passen, oder?«
Schirmer lachte ein lautes Mathelehrer- und Theatergruppenleiterlachen.
»Jennerwein, wenn
ich
den Beitrag geschrieben hätte, dann hätte ich schon ganz anders vom Leder gezogen, das können Sie mir glauben! Was ich für Sachen weiß! Über Sie zum Beispiel.«
Jennerwein lachte.
»Warum haben Sie mir eigentlich nie größere Rollen gegeben?«
»Jennerwein, Sie waren schon damals ein unauffälliger Typ. Sagen wir mal, ich hätte Sie mit dem Romeo besetzt. Da hätte jeder gesagt: Oh! Interessante Inszenierungsidee – Julia als Solostück.«
»Wie geht es Gustl Halfinger und dem Geocacher?«
»Besser«, sagte Nicole Schwattke zu Harry Fichtl. »Beide sind bei vollem Bewusstsein und auf dem Weg der Besserung.«
Es sollte eine Überraschung für den Chef werden. Nicole hatte Jennerweins ehemalige Klassenkameraden ebenfalls zum Markt eingeladen. Sie sollten Gelegenheit bekommen, sich nach dem Drama auf dem Kramer mit Jennerwein und vielleicht auch untereinander auszusöhnen. Da standen sie nun an der Getränkebude, jeder hielt ein Glas
Spritz
in der Hand. Sie schienen verlegen, sie drückten sich ein wenig davor, auf Jennerwein zuzugehen und ihm die Hand zu geben. Nicole übernahm die Initiative und begrüßte sie. Überrascht stellte sie fest, dass sogar die Oberstaatsanwältin Antonia Beissle gekommen war. Sie selbst hatte vor einer Woche auf diese Frau als Geiselnehmerin getippt – und damit total falsch gelegen. Schorsch Meyer III war ebenfalls dabei. Er blickte schon wieder etwas forscher drein. Jennerwein gesellte sich zu seinen ehemaligen Mitschülern. Bald war der Bann gebrochen.
Mittlerweile hatte sich eine dichte Traube um den Stand des Würschtlmos gebildet. Nicole und Maria mussten sich Geld leihen, sie hatten ihr Bares bei den beiden Bioverkaufskanonen gelassen. Gelächter brandete auf. Uralte Anekdoten wurden ausgegraben, die Stimmung lockerte sich zusehends.
»Lasst uns das Glas erheben«, rief Fichtl dazwischen. »Auf das Andenken von Jakobi, Prallinger und Diehl!«
Alle prosteten sich zu.
Jennerwein trat ein Stück beiseite. Wie spät war es momentan in Adelaide? Er blickte auf die Uhr. Hier war es halb zwölf, also musste es in Australien sieben Uhr abends sein. Er wählte die Nummer von Christine Schattenhalb-Keneally. Es klingelte ewig. Dann meldete sich schließlich eine Männerstimme. Noch bevor der Mann etwas sagte, bemerkte Jennerwein an dem charakteristischen Knacken, dass hier mitgeschnitten wurde. Der Mann fragte ihn, wer er sei. Es war ein australischer Kollege. Die beiden Vögel waren ausgeflogen, einen Teil ihrer Schafe hatten sie mitgenommen. Aufenthaltsort unbekannt, sie wurden auf dem ganzen Kontinent gesucht. Jennerwein nannte seinen Namen und seine Dienststelle. Über die genauen Vorwürfe, die Christine Schattenhalb und ihrem Mann gemacht wurden, erhielt er dennoch keine Auskünfte. Nachdenklich legte Jennerwein wieder auf.
Er dachte an Professor Köpphahn. Der hatte ihn vor ein paar Tagen angerufen, um ihm die Ergebnisse der Untersuchung mitzuteilen:
»Ich bin mir bei Ihrer Erkrankung nicht ganz sicher, ob es sich wirklich um Akinetopsie handelt. Das Sonderbare bei Ihnen ist, dass Sie die Anfälle sozusagen herbeizitieren können. Das könnten Sie nebenbei gesagt wunderbar ausnützen.«
»Wie denn das?«
»Spielen Sie Memory. Oder Black Jack. Sie werden immer gewinnen. Oder so ein Spiel wie bei
Schlag den Raab
, bei dem man sich Dinge merken muss.«
»Ich denke drüber nach.«
Hundert Kilometer weiter nördlich, in der Landeshauptstadt, roch es überhaupt nicht nach verführerischen Fettspritzknackern, ganz im Gegenteil, im Vernehmungsraum der JVA roch es nach billigen Reinigungsmitteln und frisch aufgetragener Wandfarbe. Dr. Rosenberger hatte sich Gunnar Viskacz nochmals vorgenommen. Hinter der Glasscheibe saß eine ganze Latte von Beamten aus verschiedenen Ministerien. Auch teure Designerschuhe wippten nervös auf dem Linoleum.
»Wie haben Sie nun von der Sache mit dem FAVOR CONTRACTUS erfahren?«, dröhnte Rosenberger so sanft wie möglich.
Viskacz hatte seine arrogante Miene nicht abgelegt.
»Bei einem Empfang in der Landeshauptstadt«, sagte er nach langem Schweigen. »Riesenremmidemmi, viel internationales
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