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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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noch nicht in die Tat umgesetzt. Er hatte jemanden hinter einen kleinen Felsen geschleift – war das derjenige? Und wer von ihnen war es? Der rührige Organisator Harry Fichtl? Die rotmähnige Soziologin Uta Eidenschink? Der Spruchbeutel Heinz Jakobi? Hatte der nicht ein Techtelmechtel mit der schönen Susi Herrschl gehabt?
Du bist ganz ruhig …
Der Naturliebhaber Siegfried Schäfer? Die geschwätzige Hotelwirtin Gustl Halfinger?
Du bist ganz entspannt …
Plötzlich stockte er. Hatte er nicht gerade Stimmen gehört? Er wagte es nicht, sich umzublicken. Es waren zwei unterschiedliche Stimmen, es war ein Streit. Ein heftiger Streit. Nach ein paar Augenblicken des atemlosen Lauschens hörte er unterdrückte Schmerzensschreie, Tritte und Schläge, Geräusche von knirschendem Kies. Dann vernahm der Bärtige wieder laut und deutlich die Megaphonstimme des Geiselnehmers.
    »Sofort … du weißt es … nicht mehr lange … rück endlich raus damit …«
    Der Bärtige befürchtete das Schlimmste.
     
    Houdini war ebenfalls wütend. Ihm wurde immer klarer, dass er vorher in einen sinnlosen und gefährlichen Aktionismus verfallen war. Die sekundenschnell und geräuschlos geöffnete Handschelle nützte ihm so gut wie gar nichts. Ihm selbst nicht und allen anderen hier oben genauso wenig. Ganz im Gegenteil. Bei einer erneuten Kontrolle musste er befürchten, ähnlich misshandelt zu werden wie der Verletzte dort vorne oder auch ähnlich brutal nach hinten geschleppt zu werden wie der andere. Er musste in solch einem Fall sogar versuchen, das Schloss wieder zuschnappen zu lassen, darauf hoffend, dass der Gangster das Klickgeräusch nicht hörte. Es war wie bei der Wohnungstür, die schon vielen pubertierenden oder auch verheirateten Spätheimkehrern zum Verhängnis wurde: Das Aufschließen funktionierte immer geräuschlos, das Zudrücken nie. Houdini saß im Rücken aller anderen Geiseln, er hatte keine Möglichkeit, sich unauffällig bemerkbar zu machen. Er wusste auch nicht genau, wo sich der Geiselnehmer gerade befand. Irgendwo links von ihm, an einer nicht einsehbaren Stelle. Houdini wusste, dass er hochgradig gefährdet war. Und er hatte sich durch eigene Schuld in diese Lage gebracht.
     
    Du spürst wohlige Wärme in den Beinen
.
Das Herz schlägt ruhig und kräftig.
Es nützte alles nichts. Die Schmerzen wurden immer heftiger. Es schien, als ob die Hand platzen würde. Der Bärtige versuchte, die dunklen Wolken am Himmel zu fixieren, die sich nun größer und bedrohlicher auftürmten. Plötzlich bemerkte er, dass sein Nachbar schräg hinter ihm versuchte, Stück für Stück näher zu ihm zu rutschen. Was für ein Wahnsinn! Der Bärtige machte mit dem Kopf eine abwehrende, zurückweisende Bewegung. Wer es genau war, der sich ihm Zentimeter für Zentimeter näherte, konnte er nicht erkennen. Vielleicht war es Ronni Ploch oder Antonia Beissle. Egal, diese Aktion war lebensgefährlich.
     
    Houdini, der Bärtige und derjenige, der sich dem Bärtigen gerade näherte, waren nicht die Einzigen, die sich überlegt hatten, wie man der fatalen Situation entkommen konnte. Drei Plätze entfernt von Houdini saß ein Mann mit einer abgeschabten Motorradlederjacke. Auch er starrte zu Boden. Doch unter der Maske mit dem knallroten, vollen Mund presste er seine schmalen und farblosen Lippen fest zusammen. Er hatte die Augen geschlossen. Er atmete stoßweise. Das war seine Art, sich zu konzentrieren. Er hatte seine freie Hand auf den Rucksack gelegt. Darin befand sich ein heißer Gegenstand, ein erstklassiges Requisit, um den üblen Typen anzugreifen, vielleicht sogar lahmzulegen. Es war ein auf den ersten Blick harmloses Päckchen. Es lag leider – leider! – ganz unten im Rucksack. Der Schmallippige überlegte fieberhaft. Er hatte drei Kinder, und genau wegen dieser Kinder hatte er sich ein Spritzenbesteck besorgt, dazu eine Ampulle Dormicum. Vor Jahren, als die Kinder noch klein waren, hatte er mit ihnen einen Ausflug in den Wald unternommen. Der elfjährige Torsten hatte ein Reh mit gebrochenem Bein gefunden. Die Situation war schrecklich. Man hatte den Jäger rufen müssen. Der war erst nach zwei Stunden zur Stelle gewesen. Die Kinder waren außer Rand und Band, sie heulten und schrien, flehten ihn immer wieder an, dem Tier zu helfen. Er selbst hatte sich damals geschworen, sich für zukünftige Fälle ein Betäubungsmittel zu besorgen. Das Besteck lag seitdem ganz unten im Rucksack, es war bei allen Wanderungen dabei. Die

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