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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Spritze war natürlich nicht sofort einsatzbereit, er musste sie erst aufziehen. Dann brauchte er nur noch zu warten, bis der Gangster in seine Nähe kam. Aber war das wirklich sinnvoll? Und wirkte die Spritze sofort? Oder hatte der Gangster noch Zeit, zu schießen? Das Verfallsdatum des Betäubungsmittels war sicher längst abgelaufen – funktionierte das Zeug überhaupt noch? Der Schmallippige mit der Lederjacke wusste es nicht. Sie hatten seitdem kein Tier mehr mit gebrochenem Bein im Wald gefunden. Die Kinder waren längst erwachsen. Er war zudem kein Arzt. Er wusste nicht einmal, wo sich beim Menschen die günstigste Einstichstelle befand. Es gab viele Argumente, die gegen die Aktion sprachen. Er hatte fest vor, es trotzdem zu versuchen.
     
    »Warum … eigentlich … die Masken?«
    Der Mann, der dem Bärtigen näher gerutscht war, soweit es die Fesselung erlaubte, flüsterte abgehackt. Der Bärtige verstand nicht gleich, um was es ging. Er war der Ohnmacht nahe. Zudem fand er das Getuschel höchst riskant.
    »Psst!«, zischte er drohend. Trotzdem wisperte er nach einiger Zeit zurück: »Es muss einer von uns sein. Wir sollen nicht wissen, wer.«
    »Klar … einer von uns! … Ein Profi noch dazu.«
    Dem Bärtigen tanzten Punkte vor den Augen. Er biss die Zähne vor Schmerz zusammen. Das Gezischel des anderen machte ihn schier wahnsinnig. Der Typ ließ einfach nicht locker:
    »Er hat hier oben alles vorbereitet … Ist dann mit uns raufgegangen … Hat sich die Maske übergestreift … Warum aber auch
uns

    »Ist doch klar: Später, beim Polizeiverhör, da wird jeder gefragt, wen er gesehen hat. Der, der von keinem erwähnt wird, der muss der Gangster sein.«
    »Der da hinten … den er sich geschnappt hat … weißt du, wer das ist?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Der schwebt in Lebensgefahr … Aber den können wir vielleicht retten. Wenn wir das Inkognito des Gangsters auffliegen lassen … wenn wir alle gleichzeitig die Masken abnehmen … dann ist sein Plan gescheitert. Er haut ab … lässt uns hier zurück.«
    »Wie sollen wir uns denn verständigen? Und außerdem: Hast du nicht mitbekommen, zu was er fähig ist? Sieh dir meine Hand an! Verdammt nochmal! Er könnte uns alle umbringen.«
    »Die ganze Klasse? Glaube ich nicht. Das ist ein Profi. Vielleicht … wenn wir … ihn mit seinem Namen anreden –«
    »Und wie ist sein Name?«
    »Keine Ahnung … Die drei Frauen können wir aber schon mal ausschließen. Uns beide auch … Dann bleiben noch neun Leute übrig. Achten wir also … auf seine Stimme.«
    »Habe schon versucht, da etwas rauszuhören. Aber das Megaphon –«
    »Vielleicht erkennen wir einen Dialekt … einen bestimmten Akzent …«
     
    Der andere rückte unauffällig weg. Der Bärtige versuchte, sich die gebellten Befehlssätze des Gangsters noch einmal zu vergegenwärtigen.
Ich weiß, dass ihr euch jetzt fragt, zu wem diese Stimme gehört! Ihr werdet es nicht herausfinden, strengt euch also gar nicht erst an.
Die Konzentration darauf lenkte ein wenig von dem Schmerz ab, der seinen Körper in immer zornigeren Wellen überspülte.
Ich weiß, dass ihr euch jetzt fragt …
Der Geiselnehmer sprach keinen Dialekt, so viel stand schon einmal fest. Er sprach monoton, militärisch knapp, ohne große Gefühlsregungen. Nur als er mit den Vorzügen seiner Maschinenpistole prahlte, da hatte er geschrien:
Sechshundert Schuss in der Minute sind kein Problem!
Er versuchte, sich zu erinnern. Ein Sprachfehler? Ein ausländischer Akzent? Ein außergewöhnliches Sprechtempo? Nichts dergleichen. Aber was hatte der Geiselnehmer dann gesagt?
Für diejenigen unter euch, die keine Ahnung von Waffen haben: Das da in meiner Hand ist eine russische
Bison  PP zehn neun!
Der Bärtige konnte sich noch genau an die Worte erinnern. Und schon vorher war es ihm aufgefallen: Warum hatte er ausgerechnet
PP zehn neun
gesagt? Warum nicht PP neunzehn? Diese Wortstellung gab es doch eigentlich nur im Französischen. Der Franzose sagte dix-neuf, also zehn-neun. Nicht nineteen wie im Englischen oder negentien im Niederländischen. Der hatte die französische Sprache irgendwie im Kopf. Der denkt französisch. Der hatte auch nicht
Depesche
gesagt, sondern
dépêchez!
gerufen, nämlich
Beeilung!
Mensch ja, das war … Dem Bärtigen wurde übel vor Entsetzen. Er wusste, mit wem sie es hier zu tun hatten. Er war so aufgeregt und schockiert, dass er seinen Schmerz für einen Moment vergaß. Er brauchte einen

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