Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
(auch: »Gustav Emil«) verbarg sich eine gewalttätige Person; mit dem weitaus gefährlicher aussehenden » EP « oder »Emil Paul« (Einsatzplan? Erpresste Person? Explosive Post?) wurde lediglich die berufsgenossenschaftlich vorgeschriebene Essenspause abgekürzt. Hinter »KoPlaWu« verbarg sich die beliebte Kopfplatzwunde bei Oktoberfesten; » GT « hatte gleich zwei Bedeutungen: 1 .) Geschlechtsteil und 2 .) Gerichtstermin; ein geheimnisvoller »noeP« war ein nicht offen ermittelnder Polizeivollzugsbeamter; und » QTA « bedeutete schließlich: Die Sache hat sich erledigt, warum auch immer das dann QTA hieß. Tippte man drei beliebige Zeichen auf der Computertastatur, hatte man ganz sicher eine Abkürzung der bayrischen Polizei generiert.
Jennerwein scrollte die Liste, die er sich vor Urzeiten eingeprägt hatte, im Kopf durch. So etwas Ähnliches wie ›hu‹ und ›gu‹ war jedoch nicht dabei. Er hatte jetzt die Nase voll von den ergebnislosen Grübeleien. Er rief bei der Leitstelle an.
»Hallo, hier KHK Jennerwein, BD .«
»Hallo, was gibts?«
»Nur eine Frage. Hat mir jemand von Ihnen in den letzten Stunden eine SMS gesandt?«
»Moment. – Sie sind im Bereitschaftsdienst, sagen Sie? Nein, heute war es absolut ruhig.«
»Und dann noch was. Haben Sie schon einmal etwas von den polizeiinternen Abkürzungen Heinrich Ulrich und Gustav Ulrich gehört?«
»Das sind Kürzel, die von den Kollegen vom Fuhrpark verwendet werden. HU heißt Hauptuntersuchung, GU Generaluntersuchung.«
»Danke. Einen schönen Tag noch.«
Jennerwein überlegte. Das ergab ebenfalls keinen Sinn. Noch 239 Tage zur Generaluntersuchung? Hauptuntersuchung am 23 . 9 .? Jennerwein selbst hatte kein Dienstfahrzeug, er hatte schon lange keines mehr in Anspruch genommen. Das war allerdings eine andere Geschichte. Hatte die SMS doch etwas mit Bernie Gudrian zu tun? Hatte ihn Bernie angesimst? Aber woher hatte der seine Handynummer? Diese Nummer hatte er nur seinen engsten Mitarbeitern gegeben.
Abrupt blieb Jennerwein stehen und blickte erstaunt auf. Tatsächlich: Das Café Mucho gab es also immer noch. Er schüttelte lächelnd den Kopf. Hatte sein grübelndes Unbewusstes ihn etwa hierhergeführt? Im Café Mucho hatten sie sich damals immer getroffen, die schrägsten Vögel aus der Klasse, darunter auch sein Freund Bernie Gudrian. Oft waren sie dort an den Plastiktischen zusammengesessen: Ronni Ploch, der zukünftige Wegbereiter der internationalen Hüftchirurgie; Antonia Beissle, die dereinst eine gefürchtete Oberstaatsanwältin werden sollte; Uta Eidenschink, die spätere Uni-Professorin; Schorsch Meyer III , der Oberstudienrat; Gunnar Viskacz, der musikbesessene Klangdesigner; der hünenhafte Siegfried Schäfer, der esoterisch angehauchte Dietrich Diehl – und schließlich Hu Jennerwein, der spätere Kriminalhauptkommissar –, alle waren sie im Café Mucho herumgehangen mit Karottenhosen und wenig Kohle. Sie hatten an ihren Colas und kleinen Bierchen genippt, hatten kühne Reden geschwungen, und ein paar dieser Reden und auch die Dünste von halbausgetrunkenen kleinen Colas schienen noch in der Luft zu hängen.
Jennerwein war nahe daran, die Kneipe zu betreten und sich an seinen alten Platz zu setzen, doch da wurde er durch eine kleine, aber auffällige Zeichnung wieder in die Gegenwart zurückgeholt. Auf dem Elektrohäuschen neben der Eingangstür des Cafés war ein ähnliches Graffito zu sehen wie vorher auf dem Marktplatz. Es war so etwas wie ein Piktogramm, eine stilisierte menschliche Figur, die mit ausgebreiteten Gliedmaßen über dem Boden schwebte.
Darunter das Datum des heutigen Tages. Jennerwein konnte sich keinen Reim auf die Zeichnung machen. Heute war wohl der Tag für unerklärliche Stricheleien, geheimnisvolle Zeichen und versteckte Andeutungen. War das Ikarus, der nach der Sonne griff? Jennerwein beschloss, sich das Bild einzuprägen. Sonderbar war es schon, dass es an zwei Stellen im Ort auftauchte, und dann auch noch an ihren früheren Klassentreffpunkten. Jennerwein bückte sich und suchte nach weiteren Hinweisen in der Umgebung des Bildes. Er fand nichts. War denn einer aus der Klasse ein Graffiti-Freak geworden? Machte Harry Fichtl, der rührige Organisator, keinen genauen Zeitplan mehr, so etwas wie
10 . 00 Schwammwerfen, 11 . 00 Brotzeit
, sondern veranstaltete er in diesem Jahr eine Schnitzeljagd?
Jennerwein drängte sich eine weitere Frage auf: Wenn die SMS von Gudrian kam, woher
Weitere Kostenlose Bücher