Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Plan.
11
»Woher kommt eigentlich das Wort
Kaiserschmarrn
?«, fragte Rechtsanwalt Nettelbeck auf der Terrasse des Ausflugslokals
Bergpanorama
. »Hat der etwas mit Kaiser Franz Josef I . zu tun? Ist es also eine österreichische Erfindung?«
»Da gibt es wie immer mehrere Erklärungen«, antwortete Ursel Grasegger, ganz Hobbyhistorikerin und Spezialistin für die Herkunft bayrischer Ausdrücke. »Die wahrscheinlichste führt uns tatsächlich nach Österreich, allerdings nach Tirol. Im Tirolerischen heißt der Almhirt auch der Kaser, also der Käsemacher, daher dann das Wort Kaserschmarrn. Irgendwann wurde der Ausdruck dann von Küchenmarketinglern und anderen Gschaftlhubern geadelt und zum Kaiser geschlagen. Mit dem Kaiser Franz Josef selbst hat der Schmarrn sicher nichts zu tun.«
Ursel Grasegger kannte sich gut aus in der alpenländischen Geschichte. Aber auch in der gesamtbayrischen Geschichte war sie zu Hause, ihr Faktenwissen reichte zurück bis in die Zeit, als Bayern noch mit i geschrieben wurde. Und als die Franken und Schwaben noch nicht mit dabei sein mussten.
»Aber jetzt zu unserer Bürgermeister-Kandidatur«, sagte Ignaz. »Heutzutage wird doch so viel geredet über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein politisches Amt ist doch erst recht ein Beruf. Ein Beruf, der Vorbildfunktion hat. Also müsste doch grade da was zu machen sein! Ein Ehepaar, das gleichzeitig zu Hause kocht und abspült und im Rathaus lenkt und leitet.«
»Gar keine schlechte Idee«, sagte Nettelbeck, »den Hebel hier anzusetzen. Das ist tatsächlich ein gesellschaftlich empfindlicher Punkt. Mir kommt da grade eine Idee. Warum sollte ich nicht meine alten Verbindungen ausnützen!« Nettelbeck stand auf. »Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen. Ich kenne jemanden im Familienministerium. Außerdem ist der auch Mitglied der Schützenbruderschaft, so wie ich.«
Der Rechtsanwalt suchte eine Nummer auf dem Display, wählte und entfernte sich ein paar Schritte vom Tisch.
In der Stadt klingelte das Telefon. Das Telefon stand auf dem kunstvoll verschnitzten Zirbelholztisch. Ein schwerer Perserteppich lag am Boden, die Tür war geschlossen, vom Flur hörte man Bussibussis, Ciaociaos und andere Laute geschäftigen monacensischen Treibens. Ein Rest von Baiern war auch noch vorhanden, denn ein Gemälde des alten Maximilian II . Emanuel hing an der Wand, der Kurfürst schaute streng herunter auf den Schreibtisch des Referenten der Referentin des Referenten. Das Telefon klingelte weiter. Die Tür ging auf, Licht fiel in die Zirbelholzstube. Teure Designerschuhe glitten über den Teppich. Die Stimme, die zu den Schuhen gehörte, näselte: »Was gibt’s? Ach du bist’s, Oberaffe. – Aha, aha. – Aha, aha. – Aha, aha. – Das ist ja interessant. Ein Ehepaar als Bürgermeister! – Aha, aha. – Weißt du was: Du bringst die Leutchen dazu, so ein Doppelamt zu beantragen, wir bringen es in die Presse, es scheitert an der bösen Bürokratie und an der allgemeinen Familienunfreundlichkeit, unsere Partei beantragt dann eine Gesetzesänderung –«
»Nein, du verstehst mich falsch«, sagte der Oberaffe. »Die beiden wollen das wirklich machen.«
»Geh zu! Was sind denn das für welche?«
»Vielleicht hast du schon mal von der Familie Grasegger gehört?«
Die Stimme, die zu den Designerschuhen gehörte, stöhnte auf.
»Die Mafiabeerdiger aus dem Oberland? Ja, mit denen können wir uns doch auf keinen Fall zusammen nennen lassen! Was du mir für Leute herziegelst, unglaublich. Oberaffe hin oder her, Schützenbruderschaft oder nicht – Du, ich sehe grade, da winkt mir der Chef, ich muss wieder. Vielleicht treffen wir uns wieder einmal am Gardasee, wie wärs? Golfen? Oder nur so? – Ich muss jetzt.«
»Ja, dann: Stellt ab das Gewehr!«
»Das Pulver füllt ein!«
»Setzt den Pfropfen!
»Versenkt den Stab!«
»Hoch legt an!«
»Und spannt den Hahn!«
»Feuer!«
»Feuer! – Servus.«
Der Rechtsanwalt kam wieder zurück zum Tisch. Die Graseggers blickten ihn fragend an.
»Ja, also, mein Kontaktmann von der Schützenbruderschaft hat mir signalisiert: Auf dem offiziellen Weg wird das nicht gehen. Jedenfalls nicht so schnell. In ein paar Jahren vielleicht –«
»In ein paar Jahren!«, rief Ursel. »Wir wollen es doch schon bei der nächsten Bürgermeisterwahl packen. Die ist im kommenden Jahr. Unsere Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren.«
»Ja«, sagte Ignaz. »Wir haben tolle Pläne. Wir
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