Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
oder irgendetwas anderes darunterzulegen«, meinte Antoine. »Das musste doch schiefgehen.«
»Wie ein verunglücktes Wikingerbegräbnis, nur mit dem Unterschied, dass hier schwarze Kerzen und ein toter Hahn als Grabbeigaben mit auf die Reise geschickt wurden«, sagte Gelletreau. »Seltsam. So etwas ist mir noch nie zu Gesicht gekommen, und ich hätte auch gern darauf verzichtet. Ich bin sehr gespannt auf das Autopsieergebnis.«
Bruno nickte und kehrte in den Schuppen zurück, wo er seine Hose zurückgelassen hatte. Über sein Handy rief er Jean-Jacques an, den Hauptkommissar der police nationale in Périgueux. Weil sich nur der Anrufbeantworter meldete, berichtete er der Zentrale von dem mysteriösen Todesfall und fügte hinzu, dass Dr. Gelletreau um eine Autopsie gebeten habe. Die Leiche musste also in die Pathologie von Bergerac gebracht werden.
»Ich bleibe so lange hier«, sagte er. »Vielen Dank, euch beiden. Ihr könnt euch jetzt wieder um eure eigenen Sachen kümmern. Ich schaue später in der Klinik vorbei, Docteur, um den Totenschein abzuholen. Wenn Sie mir also bitte eine Kopie am Empfangsschalter hinterlegen würden…«
Antoine sagte, dass er ebenfalls bleiben werde, und verschwand hinter seiner Bar und den Rechnungen. Dr. Gelletreau ging zu seinem Wagen.
»Übrigens«, sagte Bruno, »ich dachte Fabiola hätte heute Dienst.«
»Sie macht, soweit ich weiß, einen Hausbesuch, bei einem Privatpatienten.«
»Sieht ihr gar nicht ähnlich«, erwiderte Bruno. »Sie lehnt doch sonst die Zweiklassenmedizin ab und plädiert für gleiche Behandlung für alle.«
»Ich weiß, deshalb arbeitet sie auch in der Klinik«, sagte Gelletreau. »Sonderbar, nicht wahr? Vielleicht braucht sie Geld. Sie will sich einen neuen Wagen kaufen.«
Er blickte Bruno an, und es schien, als wolle er noch irgendetwas sagen und fände nicht die richtigen Worte. Bruno erging es ähnlich. »Was Sie seltsam nannten – dieses Pentagramm und die schwarzen Kerzen…«, sann er einem unbestimmten Verdacht nach. »Ob diese Frau vielleicht mit schwarzer Magie in Verbindung stand, einem Satanskult?«
»Genau das ist mir auch durch den Kopf gegangen«, antwortete Gelletreau. »Ich habe zu Hause ein altes Buch über Geschichtslegenden, die darauf Bezug nehmen. Vielleicht sollten Sie sich einmal mit Pater Sentout darüber unterhalten. Er interessiert sich schon seit Jahren für Satanskulte.« Gelletreau unterbrach sich. »Da fällt mir ein, es wäre nicht schlecht, ich würde mir bei Antoine einen Ricard genehmigen und eine seiner scheußlichen Zigaretten rauchen. Als Ihr Arzt wäre ich versucht, Ihnen ebenfalls was Hochprozentiges zu verordnen. Wenn dieser Todesfall irgendetwas mit schwarzer Magie zu tun hat, werden Sie es brauchen.«
3
Bruno hatte sich an seinen Schreibtisch in der Mairie zurückgezogen und las einen handgeschriebenen Brief, der ihm am Morgen zugestellt worden war. Der Text bestand ausschließlich aus Großbuchstaben und war eine jener anonymen Anzeigen, die allzu häufig bei der französischen Polizei eingingen. Andere anzuschwärzen war fast schon eine nationale Angewohnheit. Er hatte sie früher auf die Kriegsjahre und das Vichy-Regime zurückgeführt, das damals ausdrücklich zur Denunziation aufgerufen hatte. Doch dann war ihm ein Buch über die französische Revolution in die Hände gefallen, mit ausführlichen Zitaten aus anonymen Briefen, die Ende des 18. Jahrhunderts an das Komitee für Öffentliche Sicherheit geschickt worden waren, das tausende Menschen auf die Guillotine gebracht hatte. Die meisten jener Briefe, die Bruno erhielt und einfach ignorierte, unterstellten namentlich genannten Personen irgendwelche abwegigen Sexualpraktiken. Briefen, in denen von Steuerbetrug oder Schwarzarbeit die Rede war, musste er allerdings von Amts wegen nachgehen. Der Brief, der vor ihm lag, war mit schwarzer Tinte geschrieben und nicht, wie sonst bei den Anzeigen der schlüpfrigen Art üblich, in Grün oder Violett. In verstörend drastischen Worten wurde ein Bauer, den Bruno nur flüchtig kannte, beschuldigt, seine Frau zu schlagen.
Bruno presste die Lippen aufeinander. Er hasste solche Geschichten, kam aber nicht umhin, sich mit ihnen zu befassen. Die meisten Magistrate brachten solche Fälle eher nicht zur Anklage, selbst dann nicht, wenn Gewaltanwendung ärztlich attestiert war. Die meisten Frauen weigerten sich nämlich, gegen ihre Männer auszusagen. Auch in Saint-Denis hatten ein paar brachiale Unsitten
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