Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
überlebt, vor allem auf entlegenen Bauernhöfen, und mehr als einmal waren Bruno in Bars und Cafés Sprüche über nervtötende Ehefrauen zu Ohren gekommen, denen, wie es hieß, ein paar hinter die Löffel gehörten. Und irgendein komischer Kauz würde dann den alten Spruch zum Besten geben: Pferde brauchen die Gerte, Weiber den Stock.
Brunos Amtsvorgänger Joe hatte, wenn es um häusliche Gewalt ging, seine ganz eigene, etwas rauhbeinige Art. War am Wochenende einem angetrunkenen Ehemann einmal die Hand ausgerutscht, drückte er ein Auge zu. Aber wenn sich solche Vorfälle häuften oder gar Kinder zu Schaden kamen, scheute er sich nicht, den Gerichtshof der öffentlichen Meinung anzurufen, und ließ in allen Bars bekannt machen, was Sache war. Hatte sich dann darüber eine klare Meinung gebildet, suchte Joe mit ein paar Freunden vom Rugbyteam den Hof des Angeklagten auf, um ihm hinter der Scheune ein paar bittere Pillen seiner eigenen Medizin zu verabreichen. Bruno schmunzelte in Erinnerung an Joes Worte, der solche Maßnahmen als Beispiele bürgernaher Polizeiarbeit bezeichnet hatte. Sie seien sehr effektiv, hatte er gesagt, was zu seiner Zeit durchaus der Fall gewesen sein mochte. Doch solche groben Mittel kamen für Bruno nicht in Betracht.
Er wandte sich wieder dem Brief zu. Der Bauer, ein schweigsamer, verschlossener Mann, bewirtschaftete ein paar armselige Hektar Hügelland, die er von seinem Vater geerbt hatte und die gerade genug Ertrag zum Überleben einbrachten. Sein Name war Louis Junot. Seine Frau kam aus dem Norden, wo er sie während der Militärzeit kennengelernt hatte. Die gemeinsame Tochter Francette war eine ehemalige Tennisschülerin von Bruno. Sie war talentiert, schnell auf den Beinen und treffsicher gewesen, aber leider auch recht trainingsfaul. Nach der Pubertät hatte sie nur noch Augen für Jungen und schon früh damit angefangen, sich zu schminken. Bruno erinnerte sich, dass Francette, wenn sie den Bus bestieg, um nach Hause zurückzufahren, alles Make-up kurzerhand vom Gesicht wischte. Sie hatte die Schule schon früh verlassen und arbeitete an der Kasse des örtlichen Supermarktes. Soweit Bruno wusste, wohnte sie immer noch im Elternhaus. Vielleicht sollte er als Erstes mit ihr reden.
Der Anrufbeantworter hatte eine Nachricht von Delaron aufgezeichnet, der als erfahrener Journalist sehr wohl wusste, dass eine telefonische Anfrage über Brunos Anschluss in der Mairie beantwortet werden musste.
In aufgekratztem Tonfall berichtete Delaron, die Zeitung sei sehr interessiert an seinen Fotos von der toten Frau im Boot, habe aber als Familienblatt noch Bedenken in puncto Schicklichkeit. Ob Bruno rechtzeitig vor Redaktionsschluss bitte bestätigen könne, dass die Frau zum Zeitpunkt der Aufnahmen bereits tot gewesen und womöglich Opfer eines satanistischen Mordrituals sei.
»Merde«, murmelte Bruno vor sich hin, als Delaron dann auch noch mitteilte, dass Pater Sentout davon gesprochen habe, der Leichnam sei »voller Kennzeichen teuflischer Frevelei«.
»So ein verdammter Mist.« Dem Bürgermeister würde das nicht passen, und Pater Sentout hätte sich gefälligst zurückhalten sollen. Bruno griff zum Hörer, rief Delaron an und sagte ihm, er solle sich mit seinen Fragen an den zuständigen Polizeisprecher in Périgueux wenden. Er selbst könne nur den Tod der Frau bestätigen. Die Todesursache beziehungsweise die Frage, ob Fremdverschulden vorliege, sei hingegen noch ungeklärt. Nach inoffizieller Meinung des Doktors sehe es nach Selbstmord aus. Was denn dran sei an der Satanismusgeschichte, wollte Delaron weiter wissen. Reine Spekulation, antwortete Bruno. Er legte den Hörer auf und machte sich auf den Weg, um den Bürgermeister zu warnen.
Gérard Mangin war schon seit über zwanzig Jahren Bürgermeister von Saint-Denis. Er hatte Bruno ins Amt des Stadtpolizisten geholt und ihn, den traumatisierten Veteranen der Balkankriege, mit den Traditionen und dem beschaulichen Leben in Saint-Denis vertraut gemacht. Bruno respektierte ihn als Bürgermeister und liebte ihn wie einen Vater. Er wusste aber auch, wie rabiat der Bürgermeister sein konnte, wenn es um die Interessen seiner Stadt ging. Am wichtigsten war es ihm natürlich, im Amt zu bleiben.
»Ah, Bruno, ich habe sehr gute Nachrichten«, sagte der Bürgermeister, als Bruno angeklopft und den hellen Raum betreten hatte. Der Bürgermeister legte den Füller aus der Hand, mit dem er alle schriftlichen Amtsgeschäfte erledigte, weil er
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