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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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betrachtete, fiel ihr plötzlich ein, dass man sie damit orten könnte. Sie schaltete es aus, hob den Klodeckel und warf es hinein.
    Denk nach!
    Also: Zur Polizei zu gehen war zu riskant. Und dass die Wohnung ihrer Mutter überwacht wurde, davon konnte sie auch ausgehen. Von ihren Freunden konnte sie auch niemanden anrufen. Außerdem hatte sie kaum noch welche, siehe Courtney. So war das, wenn man sich Geld lieh, das man nicht zurückzahlte. Trinkgeld einsteckte, das für andere bestimmt war. Mit den Freunden von Freundinnen rumvögelte.
    Es gab nicht eine Brücke, die sie nicht hinter sich abgebrochen hätte.
    Du bist vielleicht ein blödes Miststück, dachte sie.
    Sie hatte ein paar Hunderter in der Handtasche. Genug, um sich eine Busfahrkarte zu kaufen und New York zu verlassen. Sobald sie sich einigermaßen sicher fühlte, würde sie sich ihren nächsten Schritt überlegen.
    Jemand hämmerte an die Toilettentür. Allisons Herzschlag setzte kurz aus.
    »Hey! Essen Sie Ihre Pizza da drin oder was?«

    Als Erstes ließ sie sich in Pittsburgh nieder. Wenn man länger als eine Nacht an einem Ort zu verweilen als »sich niederlassen« bezeichnen konnte. Mit ihrer Busfahrkarte kam sie bis Philadelphia. Von da fuhr sie per Anhalter weiter. Einfach westwärts, nur nicht zu nah an Dayton heran. Die erste Nacht schlief sie in einem Park in Harrisburg, ging dann zu McDonald’s, um sich dort in der Toilette wieder in ein halbwegs menschliches Wesen zurückzuverwandeln, was schwerfiel mit den spärlichen Utensilien in ihrer Handtasche: Kamm, Lippenstift, Eyeliner, Wimperntusche. Sie brauchte Arbeit, so viel war klar. Und als Erstes eine Dusche.
    Allison erkannte, dass eine Obdachlosenunterkunft im Moment ihre einzige Anlaufstelle war. Sie bekam etwas zu essen und konnte duschen. Ihre Tasche nahm sie mit in die Dusche, damit sie ihr nicht gestohlen wurde, und achtete darauf, sie so aufzuhängen, dass sie nicht nass wurde.
    Ihre Kreditkarten nützten ihr nichts. Bei den meisten hatte sie das Limit ohnehin ausgeschöpft. Aber sie wusste auch, dass sie sich praktisch auf dem Silbertablett präsentieren würde, wenn sie eine benutzte. Sie schnitt alle entzwei und warf sie in den Müll.
    Eine der Bedingungen, um in der Unterkunft bleiben zu dürfen, war, dass sie mithalf. Sie entschied sich für die Küche. Es kam ihrer gewohnten Beschäftigung am nächsten. Fast eine Woche hielt sie es dort aus. Dann kamen zwei Polizisten und stellten Fragen. Nicht ihretwegen – sie suchten Zeugen für den Totschlag an einem Obdachlosen vor drei Tagen. Aber sie standen ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüber, und Allison hatte Angst, dass sie sich an diese Begegnung erinnern könnten, sollten sie zufällig eine Vermisstenmeldung von ihr in die Hände bekommen.
    Zeit, sich wieder ein Stück weiter von New York zu entfernen.
    Aus Angst, zu nahe an Dayton vorüberzukommen und womöglich von jemandem erkannt zu werden, der ihre Mutter kannte, änderte sie ihren Kurs Richtung Süden. Wieder fuhr sie per Anhalter und erreichte schließlich über mehreren Etappen Charlottesville, Virginia, eine hübsche Universitätsstadt. Wovon sie allerdings wenig profitierte, denn ihr Weg führte sie nicht in die Alma Mater, sondern in die nächste Küche. Im Fenster eines Diners sah sie ein Schild »Aushilfe gesucht« und heuerte an.
    Mittlerweile hatte sie ihr ganzes Bargeld aufgebraucht, und der Küchenjob brachte ihr nicht genügend ein, um sich ein Zimmer leisten zu können. Lester, der Inhaber des Lokals, erlaubte ihr, in seinem Ford Pick-up zu schlafen, der eine durchgehende Sitzbank hatte, und den Waschraum des Lokals zur Körperpflege zu benutzen.
    Fünf Wochen lebte sie so, dann erwartete Lester plötzlich gewisse Gefälligkeiten für die luxuriöse Schlafgelegenheit, die er ihr zur Verfügung stellte. Allison war nicht interessiert, aber das akzeptierte er erst, als ihm ein rohes Ei vorne die Hosen hinunterlief.
    Zeit, wieder auf Wanderschaft zu gehen.
    Sie trampte nach Raleigh. Dann nach Athens. Zwei Hungerwochen in Charleston. Dann weiter nach Süden. Jacksonville. Ein guter Plan, bei Wintereinbruch Florida zu erreichen. Sie hatte weder einen Mantel noch Wintersachen, und auch kein Geld, sich welche zu kaufen.
    Je verzweifelter ihre Lage wurde, desto öfter überwand sie sich und bedankte sich auf ihre Weise bei Männern, die sie mitnahmen, vorausgesetzt, sie waren bereit, dafür etwas springen zu lassen. Verzweifelte Situationen erforderten

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