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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Adele Farmer hieß. Sondern Allison Fitch.
    Und ihre Mutter lebte nicht in Seattle, wie Allison behauptet hatte. Octavio fand auch einen zerlesenen Brief von ihrer Mutter, den diese schon vor über einem Jahr geschrieben hatte. Sie schrieb ihrer Tochter, sie habe sie sehr lieb und hoffe, sie sei glücklich in New York. Doch wenn sie nach Dayton zurückkehren wolle, ihre Tür stehe immer offen.
    Dayton?
    Octavio sah auf den Absender auf der Rückseite des Umschlags, notierte sich etwas, steckte den Brief und den Ausweis zurück in die Tasche und schob sie wieder unter das Bett. Er ging an den Computer, suchte und fand die Telefonnummer von Doris Fitch. Es war Mitternacht vorbei, eigentlich keine Zeit mehr, um jemanden anzurufen, aber Octavio war sich sicher, die Frau würde wissen wollen, wo ihre Tochter war, egal, wie spät es war.
    Doris Fitch bekam beinahe einen hysterischen Anfall, als Octavio ihr flüsternd die Nachricht überbrachte.
    »O Gott«, sagte sie. »Mein Gott, sie lebt. Ich kann es gar nicht fassen. Wie geht es ihr? Ist sie verletzt? Geht’s ihr gut? Geben Sie sie mir! Ich muss mit ihr reden. Ich muss ihre Stimme hören.«
    Octavio sagte, er glaube, Allison würde das Weite suchen, wenn sie wüsste, dass er mit ihrer Mutter gesprochen habe, und deshalb sei es besser, wenn Doris nach Florida käme und ihre Tochter überraschte.
    So entzückt Doris Fitch über diese Nachricht auch war, war sie doch auch klug und vorsichtig genug, einen Beweis dafür zu fordern, dass ihre Tochter tatsächlich in dem Motel arbeite, wenn sie schon nicht mit ihr sprechen konnte.
    »Sie hat mir erzählt, dass Sie, als Allison klein war, so acht oder neun, mit Fingerpuppen Theater gespielt haben«, sagte Octavio. »Ganze Szenen aus dem Zauberer von Oz haben Sie für sie nachgespielt, und sie mochte das so gerne.«
    Doris Fitch dachte, sie müsse sterben.
    »Ich fliege gleich morgen«, sagte sie. »Sagen Sie mir genau, wo ich Sie finde.«
    Octavio gab ihr Namen und Adresse des Hotels. »Wenn Sie ankommen, sagen Sie’s einfach dem Taxifahrer. Er wird es schon finden.«
    Dann legte er auf. Er war sehr zufrieden mit sich. Er hatte ein gutes Werk getan.
    Adele – Allison – würde Augen machen.

Vierundvierzig
    I ch hatte mich für den frühen Montagnachmittag mit Darla Kurtz verabredet, der Leiterin von Glace House, einer Wohneinrichtung für psychisch Kranke. Julie blieb bei Thomas. Sie hatte bereits den ganzen Vormittag versucht, jemanden bei Whirl360 zu erreichen. Der Erfolg war überschaubar.
    Glace House, in einem älteren Teil von Promise Falls gelegen, stammte selbst wahrscheinlich aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es war ein hübsches selleriegrünes dreigeschossiges Eckhaus im viktorianischen Stil, mit aufwendig geschnitzten Fassadenornamenten und einer zwei Seiten umlaufenden Veranda. Zum Haus gehörte ein weitläufiger Vorgarten, der durch Hecken von den Gehsteigen abgeschirmt war. Ich parkte auf der Straße. Schon auf dem Weg durch den Garten erblickte ich einen bleistiftdünnen Mann mit fransigem Haar in Jeans und T-Shirt, der das vordere Verandageländer weiß strich.
    »Hallo«, sagte er zu mir.
    »Hi«, grüßte ich zurück.
    »Man kann nie vorsichtig genug sein.«
    »Wie bitte?«
    »Man kann nie vorsichtig genug sein.«
    »Wobei?«
    Er lächelte. »So sagt man doch.« Er zwinkerte mir zu und widmete sich wieder seiner Arbeit.
    Ich klingelte, und eine kleine Frau zwischen fünfzig und sechzig öffnete mir. »Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.
    »Ms. Kurtz?«, fragte ich.
    Sie nickte.
    »Ich bin Ray Kilbride. Ich bin wegen meines Bruders hier, Thomas. Ich glaube, Laura Grigorin hat schon mit Ihnen gesprochen.«
    Wieder nickte sie. »Natürlich«, sagte sie und sah mich über den Rand einer Lesebrille hinweg an.
    Wäre sie ein Mann gewesen, hätte ich ihre Frisur als Bürstenschnitt bezeichnet, aber bei einer Frau heißt das wahrscheinlich anders. Sie führte mich in ihr Büro direkt neben der Eingangshalle, der man noch ansah, dass das Gebäude ursprünglich ein herrschaftliches Anwesen gewesen sein musste. Jetzt war es allerdings in mehrere Wohnungen aufgeteilt. Auf der Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte, saß eine mollige Frau. Sie trug einen dicken Wintermantel. Wieso, war mir unverständlich, denn im Haus war es so warm wie draußen. Sie sah mich mit leerem Blick an, als ich das Büro betrat.
    »Zunächst einmal vielen Dank, dass ich kommen durfte«, sagte ich. An einer Wand

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