Fenster zum Tod
hingen ihre Diplome in Psychologie und Sozialarbeit. »Ich habe nur Gutes über Glace House gehört.«
Sie lächelte. »Nun, man tut, was man kann.«
Ich gab ihr eine kurze Beschreibung von Thomas. »Wahrscheinlich ist er in vieler Hinsicht das, was man hochfunktional nennt. Aber nicht unbedingt fähig, ein selbständiges Leben zu führen, zumindest habe ich da meine Bedenken. Unser Vater ist vor kurzem gestorben. Er hat sich um alles gekümmert. Er hat gekocht, die Wäsche gemacht, das Haus in Ordnung gehalten. Er hat nichts von Thomas verlangt und ihn dadurch wahrscheinlich ziemlich unselbständig gemacht. Aber ich glaube, wenn er Gelegenheit dazu hat, ist er ziemlich tüchtig. Dad hat halt lieber alles selbst gemacht. Aber auch wenn Thomas sich selbst versorgen kann, kochen und so weiter, ich glaube nicht, dass er sich auch allein um das Haus kümmern kann. Um Rechnungen, Steuern, solche Sachen. Ich bin mir nicht sicher, ob er dazu in der Lage ist. Und leider hat er manchmal auch recht seltsame Anwandlungen.«
Die Frau lächelte. »Dann würde er ja gut hier hereinpassen. Haben Sie mit Ziggy gesprochen?«
»Ziggy?«
»Er streicht draußen vor dem Haus.«
»Ja. Er meinte, man könne nicht vorsichtig genug sein.«
»Weil jeder von uns ein Alien sein könnte. Ein getarntes.«
»Aha. Ist wahrscheinlich ein guter Rat«, sagte ich. »Hören Sie, ich weiß nicht, ob Laura es erwähnt hat, aber mein Bruder hängt sehr an seinem Computer.«
»Ich glaube, sie hat so was gesagt.«
»Er sitzt den ganzen Tag vor dieser Seite, mit der man die Straßen von Städten auf der ganzen Welt erforschen kann. Wäre das ein Problem, wenn er hier wohnen würde?«
Sie schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht. Viele Bewohner haben einen Computer. Damit können sie mit der Außenwelt in Verbindung bleiben, und Abwechslung haben sie auch.« Sie verdrehte die Augen. »Nicht immer die Abwechslung, die ich mir wünschen würde.«
»Thomas hat in letzter Zeit einen Haufen E-Mails verschickt. Das hat uns ziemlichen Ärger eingebracht«, informierte ich sie.
»Tja«, sagte sie, »das kommt vor. Wenn jemand so was macht, dann müssen wir ihm eine Zeitlang den Zugang zum Internet sperren. Wenn er nicht aufhört, dann eben endgültig. Aber die meisten hier sehen zu, dass sie Ärger aus dem Weg gehen.«
Sie führte mich herum. Das Haus war ordentlich und gepflegt. In der Küche war ein Bewohner gerade dabei, den Geschirrspüler zu beladen, während ein anderer am Tisch saß und ein Marmeladebrot aß. Im ersten Stock gab es zwei freie Zimmer. Eines war zur Straße hin gelegen, das andere zum hinteren Garten.
»Was draußen zu sehen ist, ist Thomas nicht besonders wichtig«, sagte ich. »Heben Sie das Zimmer mit der besseren Aussicht ruhig für jemand anderes auf.«
Die Zimmer waren annähernd quadratisch, vielleicht dreieinhalb mal dreieinhalb Meter. Es gab ein Bett, zwei Stühle und einen Schreibtisch. Pro Etage gab es zwei Bäder.
»Sie sollten ihn einmal mitbringen«, sagte sie, »damit er sich alles ansehen kann.«
»Ja.« Ich nickte. Mir war nicht ganz wohl in meiner Haut.
Eine zweite Frau kam auf uns zu. Sie trug eine Strickjacke, die aussah, als sei sie ihr zwei Nummern zu groß, einen weiten Rock und ein Paar dieser knallvioletten Plastiksandalen. Sie hatte langes gekräuseltes Haar und sah ziemlich fuchsig aus.
Sie stellte sich vor uns hin und fragte mich: »Sind Sie Ray Kilbride?«
»Ja«, antwortete ich zögernd.
Sie streckte mir die Hand hin. »Ich bin Darla Kurtz.«
Während ich langsam meine eigene Hand ausstreckte und schließlich die dargebotene Hand schüttelte, sah ich meine bisherige Begleiterin an. Sie lächelte verlegen.
»Tut mir leid«, sagte die neue Darla Kurtz zu mir. »Ich bin bei einer Sitzung im Rathaus aufgehalten worden.« Dann zu meiner Begleiterin: »Barbara, das war wieder sehr ungezogen von Ihnen.«
»Tut mir leid, Mrs. Kurtz.«
»Wir sprechen uns später.«
»Ist gut.« Barbara wandte sich an mich. »Ich hoffe, Thomas kommt zu uns. Er klingt sehr interessant.«
Eine halbe Stunde später machte ich mich auf den Heimweg. Die wirkliche Darla Kurtz war mindestens genauso entgegenkommend wie die falsche, stellte allerdings die sachbezogeneren Fragen. Doch auch sie forderte mich auf, mit Thomas wiederzukommen.
Ich wollte gerade ins Auto steigen, da klingelte mein Handy.
»Das musst du dir anhören«, sagte Julie.
»Was?«
»Die bei Whirl360 haben mich von Pontius zu Pilatus geschickt. Bei
Weitere Kostenlose Bücher